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Daß die Freiheit des einen dort endet, wo die Freiheit des anderen eingeschränkt wird, ist eine aus Vernunft und Einsicht geborene Weisheit und sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Denn wenn dem nicht so wäre, geriete Freiheit zur Machtfrage, und der jeweils Stärkere setzte seine Freiheit gegen andere durch, zu deren Last und Schaden. Genau das scheint allmählich Normalität zu werden, vielleicht deshalb, weil für immer mehr Menschen Freiheit zur Abwesenheit jeglicher Einschränkung ihrer selbst verkommen ist. Mir ist aber auch klar, daß solche Leute in der Vorstellung leben, sie kämen immer und grundsätzlich zu kurz.

Doch weshalb so allgemein, ich konnte das heute morgen zweimal ganz konkret erleben. Als erstes näherte ich mich einer Mutter mit drei Kindern (die alle etwa dreijährig, also vermutlich nicht alle die ihren waren). Sie ging rechts, links von ihr, sich alle an den Händen haltend, die drei Lütten. Niedlich! Aber leider auch den gemeinsamen Rad- und Gehweg in voller Breite nutzend. Also klingelte ich rechtzeitig, um der Frau zu signalisieren, daß der Platz knapp ist und ihr Gelegenheit zu geben, ihre Schützlinge ein wenig enger an sich zu nehmen. Glücklicherweise ließ die Stelle der Begegnung Raum zum Ausweichen, und ich umkurvte die Gruppe. Das war notwendig, denn statt auch nur einen Millimeter Platz zu machen, rief die Frau mit schneidender Stimme: "Langsamer vielleicht!" wobei ich mich noch wunderte, wie sie mit den Lüttschen umging, und dann: "Ignorant!" als ich vorüber war. Da dämmerte mir überhaupt erst, daß ich gemeint sein mußte. "Krawallziege!" hätte ich rufen sollen, aber ich war nicht nur schon eine ganze Ecke weg von ihr, sondern mir fehlten einfach auch die Worte.

Zwei Minuten später fuhr ein Mann in der Mitte des Radwegs, links von ihm war eben genug Platz zum Überholen. Eine Reifenbreite vom Kantstein entfernt sauste ich an ihm vorüber, und anstatt zu merken, daß er mit dieser Fahrweise eine Gefährdung darstellte, maulte er "Ey!" hinter mir her. Der hätte sich auch noch über ein warnendes Klingeln beschwert. Das habe ich tatsächlich schon erlebt, fällt mir dabei ein; da meckerte doch wirklich jemand: "Geht das vielleicht auch leiser!" - Erlebnisse dieser Art haben mich längst zu einer Weltsicht gebracht, die fälschlich als Pessimismus bezeichnet wird, ist es doch nichts anderes als Realismus.

Dieser Realismus sagt mir beispielsweise bei der Demonstration staatlicher Macht in Stuttgart, daß eine Interessengemeinschaft das Fell des Bären bereits verteilt hat, bevor er erlegt ist, und nun alle Mittel, seien sie noch so dumm, verzweifelt und brutal, einsetzt, um des schönen Felles auch ja habhaft zu werden. Bleibt zu hoffen, daß Optimismus a.k.a. Schönfärberei auf eine Minderheit beschränkt bleibt und die Mehrheit Geschäftemacherei nicht mit demokratischer Legitimation verwechselt, oder ein einträgliches Prestigeprojekt mit einer Notwendigkeit, oder Beschwichtigung, Drohung und Beschwatzen mit einem Gesprächsangebot.

Der Kapitalismus ist am Ende, von innen heraus verfault, es braucht nur noch die Entschlossenheit einer Mehrheit, ihn in vernünftige Schranken zu weisen. Leider ist es jedoch so, daß der verfaulende Kapitalismus eine ganze Masse Bürger infiziert hat, die nun mit ihm gemeinsam dahinsiechen, froh darüber, daß es keine Alternative zu Egoismus, Niedertracht und Verbrechen gibt und nur darauf aus, anderen ihren Willen (oder ihre Ideologie, gell) aufzuzwingen. Und damit kommen wir zu der - ganz realistischen - Frage, die sich jeder selbst stellen sollte: inwieweit bin auch ich schon von dem Dreck beeinflußt?
 

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