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Um es gleich zu sagen: ich fürchte, ich bin herausgefallen, vollständig in die Gegenwart zurückgeplumpst. Vielleicht nur vorübergehend, vielleicht kann ich irgendeinmal den losen Faden wieder aufnehmen, aber hier und heute, in Neapel am Freitag, den 27. Mai 1787, ziehe ich einen vorläufigen Schlußstrich, es tut mir leid, es verdrießt mich, und ist doch das einzig sinnvolle.

Eine angekündigte Geschichte bin ich noch schuldig (vgl. Folge 30), und die soll auch erzählt sein. Es geht selbstverständlich um die ungestüme Prinzessin. Aus einem guten, doch unvermögenden Hause geboren, im Kloster erzogen, entschloß sie sich, einen alten und reichen Fürsten zu heiraten, und man konnte sie um so eher dazu überreden [ weshalb überreden, wenn sie doch entschlossen war???], als die Natur sie zu einem zwar guten, aber zur Liebe völlig unfähigen Wesen gebildet hatte. In dieser reichen, aber durch Familienverhältnisse höchst beschränkten Lage suchte sie sich durch ihren Geist zu helfen und, da sie in Tun und Lassen gehindert war, wenigstens ihrem Mundwerk freies Spiel zu geben. Man versicherte mir, daß ihr eigentlicher Wandel ganz untadelig sei, daß sie sich aber fest vorgesetzt zu haben scheine, durch ein unbändiges Reden allen Verhältnissn ins Angesicht zu schlagen. Man bemerkte scherzend, daß keine Zensur ihre Diskurse, wären sie schriftlich verfaßt, könne durchgehen lassen, weil sie durchaus nichts vorbringe, als was Religion, Staat oder Sitten verletze.

Man erzählte die wunderlichsten und artigsten Geschichten von ihr, wovon eine hier stehen mag, ob sie gleich nicht die anständigste ist.

Kurz vor dem Erdbeben, das Kalabrien betraf, war sie dort auf die dortigen Güter ihres Gemahls gezogen. auch in der Nähe des Schlosses war eine Baracke gebaut, das heißt ein hölzernes einstöckiges Haus, unmittelbar auf den Boden aufgesetzt; übrigens tapeziert, möbliert und schicklich eingerichtet. Bei den ersten Anzeigen des Erdbebens flüchtete sie dahin. Sie saß auf dem Sofa, Knötchen knüpfend, vor sich ein Nähtischchen, gegen ihr über ein Abbé, ein alter Hausgeistlicher. Auf einmal wogte der Boden, das Gebäude sank an ihrer Seite nieder, indem die entgegengesetzte sich emporhob, der Abbé und das Tischchen wurde also auch in die Höhe gehoben. "Pfui!" rief sie, an der sinkenden Wand mit dem Kopfe gelehnt, "schickt sich das für einen so ehrwürdigen Mann? Ihr gebärdet Euch ja, als wenn Ihr auf mich fallen wolltet. Das ist ganz gegen alle Sitte und Wohlstand."

Indessen hatte das Haus sich wieder niedergesetzt, und sie wußte sich vor Lachen nicht zu lassen über die närrische, lüsterne Figur, die der gute Alte sollte gespielt haben, und sie schien über diesen Scherz von allen Kalamitäten, ja dem großen Verlust, der ihre Familie und so viel tausend Menschen betraf, nicht das mindeste zu empfinden. Ein wunderbar glücklicher Charakter, dem noch eine Posse gelingt, indem ihn die Erde verschlingen will.


Mit dieser, mir etwas eigenwillig scheinenden, Betrachtung der Prinzessin ist wenigstens diese Sache abgeschlossen. Bleibt mir nur zu danken und zu sagen: mit Goethe reist es sich angenehm.
 

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