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Graue Nieselschleier senken sich herab
als Eugen das Rednerpult erklimmt
Mörikes "Er ist's" zu rezitieren

Um sich einzustimmen schweift sein Blick
zum nahen Fluß, wo Schiffe langsam
doch bestimmt gen Hafen manövrieren

"Frühling läßt sein blaues Band
wieder flattern durch die Lüfte"
- das ist so was von daneben
"Süße, wohlbekannte Düfte
streifen ahnungsvoll das Land"
- weil hier Kotgerüche schweben
"Veilchen träumen schon"
- dies ist ein böser Traum
"wollen balde kommen"
- wollt' ich, gehen dürft' ich kaum

Bunte Regenschirme spannen sich im Rund
und ein Schiffshorn dröhnt von fern
die Masse schwelgt im Sentiment

"- Horch, von fern ein leiser Hafenton!
Frühling, ja du bist's!
dich hab ich vernommen!"

Schwelgend applaudiert der Gäste Schar
niemand hat den Unterschied bemerkt
nur der Kauz dort - der hat nicht gepennt

Als Kinder spielten wir auf bzw. in der Straße, es gab kaum Verkehr, und die parkenden Autos konnte man an seinen zehn Fingern abzählen, ohne alle zehn gebrauchen zu müssen (innerhalb weniger Jahre wurde es dann zum Geduldsspiel, einen Parkplatz zu finden). Frauen gingen von hier nach dort, um in den Geschäften der Nachbarschaft ihre Einkäufe zu machen, alte Männer mit qualmendem Zigarrenstumpen im Mundwinkel kamen vorbei, und auch ein Invalide in einem hölzernen Gefährt mit drei Rädern, die Antriebshebel mit den Armen vor- und zurückpumpend. Händler sahen wir mit Handkarren oder mit einem Kombi; die verkauften Nordseekrabben ("Granaaat, frischer Granaaat!") sammelten Schrott ein ("Alteisen, Lumpen und Papier!") oder verkauften Eier vom Bauernhof. Oder die Zeitungsverkäufer (Bild am Sonntag, gern genommen wegen der Berichte von der Fußballbundesliga).

Zum nahen Spielplatz wurde ich von Muddi oder meinen Geschwistern gebracht, die Aufsicht geleitete mich dann später über die Hauptstraße zurück, an der es noch nicht die Fußgängerampel gab. In der Spielplatzmitte war eine große Sandkiste, an der eine Rutsche stand, ringsum Bänke, bemalte Betonröhren (gut zum Verstecken), kleine Steinmauern (toll zum Balancieren) und im hinteren Teil Büro und Mehrzweckraum, in welchem ich zum ersten Mal ein Kaspertheater sah. Vor einigen Jahren wurde der Spielplatz endgültig aufgegeben, d.h. abgesperrt, das Grün verwilderte und sproß ungestört vor sich hin. Dann kam der Umbau bei der Straßenbahn, in dessem Zuge der Spielplatz planiert und, von wenigen Bäumen abgesehen, zur Wiese gemacht wurde, die nun freien Blick auf eine der großen Errungenschaften der Menschheit gewährt, den Autoverkehr.

Doch wird schon vor dem Umbau geplant gewesen sein, was nun beschlossen ist und nur noch von der Politik dem businessborniertem Pöbel, der immer "menschenwürdig" und "sozial" dazwischenbölkt, wenn man im Begriff ist, ein gutes Geschäft zu machen, als notwendig und wünschenswert verkauft werden muß: auf dem Gelände des ehemaligen Spielplatzes sollen Parkplätze für das nahegelegene Krankenhaus entstehen; gebührenpflichtig selbstverständlich, denn die Gesundheit der Bürger ist nicht mehr ein Anliegen des Staates, sondern eine Ware, die sich private Unternehmer teuer bezahlen lassen möchten. Nein, ich weine hier keinen Kindheitserinnerungen hinterher, sondern stelle fest, daß wieder ein Stück Lebendigkeit einbetoniert wird - und nur an Lebendigkeit werden wir uns erinnern. Wer hat jemals von schönen Erlebnissen auf Parkplätzen gehört oder setzt sich beschaulich auf eine Bank am Rande solcher Stein-, Beton- oder Asphaltwüste und genießt den Ausblick, atmet freudigen Empfindens die frische Luft?

Eben. Erinnerungen - ganz abgesehen von kürzlichen Spaziergängen und Radfahrten - verbinden mich auch mit der Juliushöhe, dem höchstgelegenen Teil des Stadtwerders, gleich hinter dem Gelände des ehemaligen städtischen Wasserwerks mit seine Anlagen und Becken zur Aufbereitung der Wässer. Dort wohnten die Familien von Egon, Peter und der Geschwister Traute, Birgit und Sohni (dessen richtigen Namen niemand interessierte und den ich nie erfahren konnte). Wir trafen uns im Schwimmverein in einer Weserbucht, spielten im Wasser und am Strand, tranken im Vereinsheim Cola, Sinalco oder Florida Boy (die Erwachsenen an der Theke hatten die typisch bauchigen Flaschen Haake Beck vor sich stehen), schleckten Eis am Stil, spielten Karten, Kriegen, Verstecken und auch mal Tischtennis (Rundlauf war sehr beliebt). Manchmal begleitete ich die Spielkameraden noch in das Kleingartengelände auf der Juliushöhe, bevor wir bis zum nächsten Tag Abschied nahmen.

Wenn ich dort heute unterwegs bin, denke ich natürlich an die Jungs und Mädels, die ich längst aus den Augen verloren habe, und erfreue mich an der Vegetation, die nach wie vor getreulich die Jahreszeiten abbildet, obwohl diese durch den Klimawandel gehörig in Unordnung geraten sind. Damit ist es nächstes Jahr vorbei, man muß auch loslassen können: vor mehr als zehn Jahren wurde die Bebauung geplant, ein satter Reibach lockte, nun endlich sind die Pläne zur Bebauung durchgeboxt, in verbindliche Verträge gegossen worden und die Profite sind fest eingeplant. Ein Luxusviertel aus Häusern voller Eigentumswohnungen wird aus dem fruchtbaren Boden der Parzellen und aus dem Gelände des früheren Wasserwerks gestampft werden inklusive erneuerter und ganz neuer Straßen und der Abholzung gewachsenen Grüns (damit die zukünftigen Bewohner freien Blick die "kleine Weser" haben und die Verkaufspreise desto höher angesetzt werden können). Und, machen wir uns nichts vor, das ist erst der Anfang der Bebauung weiteren Kleingartengeländes in "bester Lage". Nicht für eventuell staatlich geförderten Wohnungsbau für die sogenannten sozial Schwachen, die Mühe haben, erschwingliche Wohnungen zur Miete zu finden, sondern als Prestigeobjekte für gelangweilte Reiche und/oder ihre Schnöselbrut, die keinen Sinn für irgendwelche Schönheit ihrer Umgebung haben/hat oder für den natürlichen Reichtum, der für solch gewinnversprechendes Geschäft vernichtet wird.

Eines gar nicht mehr so fernen Tages wird man Eintritt für die heute noch stadteigenen Grünanlagen bezahlen müssen; und damit daraus auch wirklich ein Geschäft wird, kann die wirtschaftshörige Politikermischpoke gar nicht anders, als die Bürger - im Interesse der Gesundheit! - zu regelmäßigen Besuchen zu zwingen. Dann wird die Stadtverwaltung bereits an eine Bertelsmann-Tochterfirma übertragen worden sein, und die Polizei ist nur noch für die Slums zuständig. Wer es sich leisten kann, bezahlt teure Wachdienste. Und wehe, du begibst dich als armer Schlucker in die Wohnviertel der Gutsituierten ...

Eine Welt, in der Kinder die Pampelmuse als Grapefruit kennenlernen, ist eines Zaubers, eines Mirakels beraubt und die Kleinen tun mir leid. Das Wort Pampelmuse hat Charakter und es klingt mir so schön, daß ich gar nicht wissen möchte, woher es stammt. Anders die Reneklode, eine eingedeutschte Version der erhabeneren Reine Claude, welches eine süße, dennoch erfrischende Pflaumensorte ist, Königin Claudia. Vorbelastet wie alle Pflaumen bis ans Ende meiner Tage ist sie, die Reneklode, einfach weil Uli G. eines Morgens beim Frühstück meinem Mitlehrling Frank eindeutig zweideutig vorführte, wie man eine Pflaume öffnen müsse. Frank (süße sechzehn damals) wand sich vor Verlegenheit, was ich gut verstehen konnte. Ja, verehrte Dame, so nehmen sie doch bitte zur Kenntnis, daß die Natur dem Manne einen Knüppel zischen die Beine geworfen hat: das ist der Grund, weshalb sie ihn am Nasenring im Kreis herumführen können, wann immer ihnen danach ist, Reine Claude. Von derlei Ballast ist die Pampelmuse frei; sie zieht uns vor Bitterkeit den Mund zusammen und macht uns doch im Herzen froh - solange man sie nur bei ihrem richtigen Namen nennt.

ach halt, da ist ein Komma, verliert also 11,1 Prozent. Tja, der Steinmeier-Effekt. Tränen kommen mir, wenn ich auf die FDP schaue. Da gab es mal eine Zeit, in der die damaligen Kohlhelfer und Schmidt-Stürzer tiefer und tiefer sackten, aus fast allen Länderparlamenten verschwunden waren und nur dank Genschman noch im Bundestag verblieben. Beinahe, beinahe - es hätte so schön sein können, aber es sollte nicht sein. Nu schwimmen se auf der Schwesterwelle liberalster Wirtschaft - Guido, so sah ich auf den Wahlplakaten, hat keine Pockennarben mehr, sieh an, sieh an - und überflegeln, äh, überflügeln fast die SPD. Mein Kommentar zu dieser Wahl: Demokratie ist eine Angelegenheit mündiger Bürger, sonst verkommt sie zu Lug und Trug. Erfreulich ist immerhin, daß es zwei Prozent Piraten gibt. Nicht genug, um die Kreise Zensursulas und der ihren einzuschränken, aber keineswegs zu verachten. Rise the Jolly Joker, all hands on deck. Pt I & Pt II

Bzw. Friendly Persuasion. Ist überhaupt kein Western. Der Film beginnt mit einer Gans (Samantha), versetzt uns in eine Quaker-Familie (gewaltfrei) und führt uns in ein Pferderennen (Red Rover vs. Prince). Keine Waffen - kein Geballer, kein Geballer - kein Vergnügen. Stattdessen Gottesdienst, in welchem der jüngste Sohn von Familienvater Birdwell (Gary Cooper) aufspringt und ruft: "God is love!" und strenge Blicke erntet. Noch mehr strenge Blicke gibt es für Cooper wegen des verbotenen Harmoniums (Quaker verabscheuen Musik, der Himmel mag wissen, weshalb. Oder auch nicht). Doch trotz Harmonium stellt sich wieder Harmonie im Hause Birdwell ein.

Wenn da nicht der Bürgerkrieg wäre (Indiana, 1862), doch dazu später. Zunächst besuchen Cooper und sein (Film)Sohn Anthony Perkins die Familie Hudspeth (in der deutschen Fassung: Hitzepock) - eine Witwe und ihre drei Töchter, mannstoll wie nur was. Während die Töchter Perkins in die Mangel, den Schwitzkasten und den Doppelnelson nehmen, erfährt Cooper von der Witwe - in zehn Sekunden klassischen Stummfilms -, daß ihr gewesener Mann nicht im Himmel weilt, sondern diametral gegenüberliegend im Fegefeuer schmort. Hier berührt der Film die Ewigkeit.

Was noch - ach ja, der Bürgerkrieg. Perkins schießt mit Tränen in den Augen, Cooper läßt seinen Beinahemörder laufen, seine Frau rettet Samantha (die Gans), indem sie einen Rebellen mit dem Besen verdrischt. Also beim besten Willen kein Western, aber klassisch, und bunt zudem. Lassen wir Samantha das letzte Wort: Quak, Quak (schüttelt den Bürzel). Lockende Versuchung, großes Kino. Aber gans groß.

 

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