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Es gibt Schnäcke, deren Sinn sich sofort erschließt, auch wenn die Herkunft im Dunkeln bleibt und Anlaß zu Spekulationen bietet, wie z.B. "der hat doch n Ei am wandern". Andere Schnäcke entstehen aus komischen Situationen und sind nur den Zeugen derselben verständlich; diese Art Sprüche wird besonders gern wiederholt und provoziert Nachfragen, doch kann keine noch so gute Erklärung dem Zuhörer die Komik der Originalsituation vermitteln.

Eine Bekannte gebrauchte eine zeitlang "kalter Bauer". Auf meine Frage hin erzählte sie, wie es zu dieser Wortbildung gekommen war. "Bauer, das ist ein Saufkumpel von Volker, und als die sich einen Abend mal wieder die Kante gegeben haben und irgendwelche bunten Pillen zwischen den Drinks eingeworfen, da war der Bauer mit einemal leichenblass, sagte, ich geh mal vor die Tür, und schlich nach draußen. Weil das ne Weile dauerte, ging der Ungar hinterher. Bauer hockte da an einem Zaun und neben ihm lag ein Haufen Kotze. Da sagte Asbach: kalter Bauer."

Das ist wahnsinnig komisch, wenn es erzählt wird, und geschrieben noch mehr, doch, wirklich, oder nicht? Damals werden die Muddis und Vaddis ziemlich gelacht haben, und seitdem gibt es kalten Bauer. Es gibt aber auch Restaurants, deren fremdländische Inhaber voll stolz auf ihre Küche die Speisekarte selbst schreiben. Was sind beispielsweise Schnecksen?
"Schnecksen? Das klingt nach mehr."
"A propos Meer: Austern schocken Herzen."
"Creme brülle!"
"Wo steht das? Echt wahr?"
"Seite sieben, Nachtspeisen."
"Echt."
"Boah."
"Voll abgefahrn, Alter."
Abgesehen von dem nun häufig gerufenen "Creme brülle" wurde die Geschichte mit den Jahren ausgeschmückt, so habe etwa über der Tür nicht "Ausgang" sondern "Ausweg" gestanden und dergleichen Scherze mehr (gar nichts stand über der Tür, das ist die Wahrheit).

Wenn dir nun also Leute mit einer Creme brülle begegnen und dich nerven mit ihrem Insiderhumor, dann denke dies: du bist nicht verpflichtet zu lachen, aber denke auch das: sie merken gar nicht, wie sehr sie dir auf den Keks gehen. Erzähle ihnen unter Lachen und Schenkelklopfen vom kalten Bauer, das wird sie, wenn schon nicht kurieren, doch wenigstens daran erinnern, daß andere Menschen auch des Nervens fähig sind. Zur Not gib noch einen zweiten Brüller oder Klopfer zum besten, das sollte dann der Bringer sein.

Manche Worte sind frei erfunden; sie dienen Marketingzwecken und somst gar nichts. In diese Reihe gehört allemal zukunftsfähig, von dem einem die intakten Übereste des Sprachgefühls signalisieren: das gibt es nicht, kann es nicht geben, ist falsches Deutsch (und schlechtes). Seltsam jedoch, wie häufig es gebraucht, und bezeichnend, wie es gegen Skeptiker eingesetzt wird, wenn es allgemein gesagt um Wirtschaftsprojekte oder Gesetzesvorhaben geht, mit denen sich die Bürger bitteschön abfinden mögen, während die aktiv Beteiligten sich mit materiellem Zuwachs abfinden müssen - wo der wohl herkommt?

Doch ist das alles nichts Neues. Heute genügte mir das Sprachgefühl aber nicht, ich wollte es etwas genauer wissen. Und siehe da: der Duden erlaubt seit einigen Jahren grundsätzlich Konstruktionen wie zukunftsfähig, genußfähig, abluftfähig, um nur ein paar Beispiele zu geben. Ist aber der Duden Schuld an der Misere, die nur eines von vielen Symptomen des Siechtums der deutschen Sprache (und sowieso des Denkens, das es ohne Sprache nicht gibt) ist? Irgendwie hängt das alles zusammen, nicht? Die geistige Verödung, die vollständig geistlose Freie-Märkte-Ideologie, die Rechtschreibreform, die Aushöhlung aller Grundrechte, die den Eliten nicht ins Konzept passen, die Marketingstrategien, um Unbeliebtes durchzusetzen - nennen wir es das Entstehen einer Scheinwelt, die schon breiten Raum im Alltag einnimmt - man denke nur an die "sinkende Arbeitslosigkeit" (dank statistischer Tricksereien) oder an die ständig "steigende Konsumbereitschaft" (bei ständig rückläufigen Einzelhandelsumsätzen).

Diese Scheinwelt scheitert nicht etwa, wenn sie mit der Wirklichkeit zusammenprallt, sondern wird, begleitet von Nebelkerzen, Lobeshymnen und Medientamtam ,ungerührt und unbelehrbar fortgesetzt. Was nützt es, daß es noch aufmerksame Geister gibt, wenn die Expertenrepublik Deutschland nicht interessiert ist? - Jetzt aber zu etwas Ernstem, lieber Leser: bist du expertenfähig?

Gestern hab ich Übles erlebt, davon will ich berichten. Es begann damit, daß mein Bekannter kam und sagte: "Du spielst doch gerne HOGs, probier dies mal aus." HOG steht für Hidden Object Game, aber das auszusprechen hat natürlich niemand Zeit; ein Schwein, wer Böses dabei denkt. Abends auf den Laptop gepackt, installiert und gestartet. Fing an wie so'n Filmvorspann, ach, dachte ich, wohl das Spiel zum Film - oder kommt erst noch der Film zum Spiel? Ich jedenfalls nur so halb hingesehen, weil ich mir gerade eine Zigarette drehte. Dann ging das los, da mußte ich mich erstmal umstellen. Von heute auf jetzt war ich eine Frau auf einem sinkenden Kreuzfahrtschiff, wollte meinen Mann und die beiden Kinder suchen, die Gott weiß wo in dem angeschlagenen Schiffsrumpf steckten, hatte soeben dem Piloten des letzten Rettungshubschraubers, der mich unbedingt retten wollte, "Laber laber Arschrhabarber" gesagt, und stand da allein auf dem Deck inmitten eines sturmgepeitschten Ozeans: Nightmare on the Pacific.

Also erstmal unter Deck gehen, da hör ich gleich meinen Sohn Hilfe! rufen, ich hin, dem steht das Wasser schon bis zum Hals, aber nicht das Seewasser, sondern aus irgendwelchen Leitungen, aber zum Glück liegt da irgendwo Werkzeug rum, ich stell das Wasser ab, wat iss nu? Der Kerl ist eingeklemmt, da muß ich Hilfe holen. Im Speisesaal liegt ein Steward rum, und Feuer breitet sich aus. Das war so'n siebter Sinn, daß ich in der Szene vorher einen Feuerlöscher eingesteckt habe, sofort gelöscht was das Zeug hält, natürlich alles voller Qualm. Da blinkt was, draufgeklickt, ach, wie praktisch, die Ventilation. Ob der Steward mir jetzt hilft? Pustekuchen, der ist auch eingeklemmt. Muß ich erst für den Hilfe holen. Dann kracht ein Teil der Decke runter, muß ich nen anderen Weg zu ihm finden.

So geht das weiter, ich stell noch mehr Leitungswasser ab, wahrscheinlich sinkt das Schiff wegen der maroden Wasserrohre, schließlich muß ich nach draußen, um vom Heck zum Bug zu gehen, wo ich vielleicht schneller vorankomme bei meiner Rettungaktion. Das ist also jetzt die Lage: Mann verschollen, Tochter verschollen, Sohn braucht Hilfe, Steward, der helfen könnte, braucht selbst Hilfe, und ich kraxel draußen im Taifun herum. Dann wird mir schwarz vor Augen.

Ich blinzel. Nee, der Bildschirm ist schwarz. Die Taskleiste zeigt sich und kündet den Just-In-Time Debugger des Visual Studio an, aber der schafftt es nicht an die Oberfläche, es ist ein Komplettabsturz. Erst dachte ich, daß es wohl der Katastrophen zu viel war und der Rechner verschreckt aufgegeben hat. Kann aber nicht sein, Computer sind ja dafür gemacht, stapelweise Katastrophen durch den Prozessor zu jagen, das ist deren täglich Brot; Jack the Beanstalkripper, Papermoon Fighter, die schönsten Panzerschlachten des Mittelalters, Moorhuhn from Hell, Vendetta Premium Edition. Zufällig seh ich auf meinen Aschenbecher - in der kurzen Zeit hab ich vier Fluppen gequalmt! Das war es also: der Laptop ist am Passivrauch erstickt. Hab ich dann gelüftet und den Rechner neu gestartet, ging wieder. Aber wie lange noch?

Oh, mach es magnetisiert
Oh, heut nacht, heut naa-a-a-acht
Oh, du hast die Haare schön
heut nacht, heu-eut na-acht
- atomisch

rufe ich all denjenigen zu, die noch nicht über: "Passivrauchen fordert jährlich 600.000 Todesopfer" gestolpert sind. Es handelt sich um das Ergebnis einer Studie mit Daten aus 192 Staaten, die von E x p e r t e n erstellt wurde. Und in dem Artikel heißt es poetisch: Bei den angegebenen Todesfallzahlen handelt es sich allerdings um Schätzungen. Vor den Terroristen, die uns angeblich mit Bomben überfallen wollen, habe ich keine Angst. Vor den anderen hingegen ...

Man erlebt ja schon als Kind so Einiges; auf der Straße (ich war nicht im Kindergarten), oder auch im Sportverein. Da gab es die Kinder der Familie P. - Wolfgang, Corinna und Udo -, durchaus gutartig, aber von lahmer Dummheit, oder Peter und Egon (die keinen Tag ohne Streit miteinander vergingen ließen), zwar mit begrenztem Horizont, aber keineswegs dumm, gelegentlich sogar pfiffig. Ich war ein Pfiffikus, wo immer ich hinkam, aber ich glaubte stets, der Beste sein zu müssen, und es verdroß mich, eben der nicht zu sein. Dergestalt mit mir selbst befasst, erwarb ich erst spät und unter Schmerzen Menschenkenntnis, die aber ohne Schmerzen gar nicht zu haben ist.

Es gab im Verein auch einen Außenseiter, Manfred, der nicht weiter unangenehm auffiel, nur eben nicht dazugehörte. Während eines Sommers verschwanden aus dem Umkleideraum verschiedene Dinge; beispielsweise Quartetts, aber auch mal zwei oder drei Groschen, unauffällig noch, doch einmal Zwomarkfuzzich, die meine waren und mein gesamtes Taschengeld. Das war nun offensichtlich Diebstahl und ich empörte mich im Kreis der Spielkameraden. Wir überlegten, wer das getan haben könnte, und da wir nun erstmals über Diebstahl redeten, stellte sich heraus, daß schon zuvor hier und da etwas auf rätselhafte Art verlorengegangen war. Heinrich sprang auf, er habe einen Verdacht.

Als er zurückkehrte, hatte er Manfred am Wickel, den Außenseiter, klemmte eine Hand in dessen Nacken, und er machte Ernst, der Griff war schmerzhaft. Er habe ihn überlistet, sagte Heinrich, und nun solle Manfred sein Geständnis vor uns wiederholen. Ich, sagte der Ge- und Bezwungene, habe das Geld geklaut, aber das meiste schon ausgegeben; es tue ihm leid, hiermit gebe er die restlichen fünfzig Pfennig zurück. Was immer er befürchtet haben mochte, er bekam keine Prügel - ich erinnere mich, daß er mir unter Heinrichs Regiment schon wieder leid tat -, aber er war nun noch mehr Außenseiter. Auch die Spielkameraden empfanden ein Mißverhältnis zwischen Vergehen und Behandlung, und uns kam die Geschichte seltsam vor, jedem für sich, wie sich est später herausstellte.

Es war Peter, glaube ich, der Manfred beiseite nahm, als Heinrich mit seinen Eltern verreist war, und ihn fragte, ob es wirklich so gewesen sei, wie er (unter Zwang) behauptet hatte. Ja, er hatte tatsächlich unter Zwang behauptet; Heinrich hatte ihm einen kleinen Anteil am Geld versprochen, wenn er die erfundene Geschichte vortragen würde. Und wenn nicht? Heinrich, Dieb bei dieser und bei anderen Gelegenheiten, hätte kräftig ausgeteilt.

Manfred, armer Leute Adoptivkind, hätte durchaus in Versuchung gewesen sein können, doch hätte er im Falle eines Diebstahls ein schlechtes Gewissen gehabt, dessen bin ich sicher. Heinrich hatte bequemerweise kein Gewissen. Als ich Letzteren, beinahe im Erwachsenenalter, zufällig wiedersah, hatte er ein fies verlogenes Drogengesicht, und ich hielt sein Ende auf die eine oder andere Art für abgemacht.

Voriges Jahr, in der Schlange vor einer Kasse im Supermarkt, sah ich einige Positionen vor mir jemanden, der mir bekannt vorkam: diese Augenpartie, nur zu vertraut, wer kann das sein - jawohl, Heinrich, mit einer Entwurfsmappe unterm Arm, vermutlich als Designer bei einer Agentur untergekommen, auf jeden Fall in einem mehr oder minder kreativem Beruf tätig. Er sah auch nicht fies oder verlogen aus, und zu gesund für Drogen, aber auch nicht symphatisch, mehr die Art Gott im Westentaschenformat.

Manfred, den Außenseiter, hatte ich noch als Jugendlicher wiedergesehen, ein geduckter und verhuschter Mensch, dem, und sei es nur aus Prinzip, Gerechtigkeit hätte widerfahren müssen. Wir hatten wohl seine Unschuld zur Kenntnis genommen, aber stigmatisiert blieb er dennoch. Er hat es hoffentlich im weiteren Leben besser getroffen, und da denke ich an meinen ältesten Neffen, der der richtigen Frau begegnet ist, die ihn mit sich ausgesöhnt hat. Mir tut es immer noch weh, das falsche Spiel, das Heinrich mit ihm trieb, nicht durchschaut zu haben. Das ginge jedem so, der ein Gewissen hat. Es ist eine Qual, aber man lernt daraus.

Aber Herr de Maiziere, finden Sie das nicht selbst ein bißchen zu durchsichtig? Am Mittwoch wissen Sie zuverlässig, daß für Ende November ein Terroranschlag in Deutschland geplant ist, und einen Tag später ist es für Sie offensichtlich, daß die - zufällig - einen Tag nach Ihrer Ankündigung gefundene "Bombe" für München bestimmt war, noch bevor BKA-Experten überhaupt die Echtheit der Bombe bestätigt haben. Böse Zungen werden behaupten, Sie hätten von vornherein über die Anglegenheit gewußt, sie als PR-Maßnahme einerseits, als Verunsicherungsinstrument andererseits zu nutzen versucht, und es handele sich insgesamt um eine Inszenierung. Wird vielleicht gar noch ein Bekennerschreiben der Islamischen Dschihad Union eintrudeln? Herr de Maiziere, beherzigen Sie Dickis Rat und wechseln Sie ihre Imageberater!

 

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