in eigener Sache
Tonbandstimme: "Guten Tag. Hier ist Helga Meyer-Ahrenz von ihrem persönlichen" -
Dicki: "Arschloch!"
Dicki: "Arschloch!"
Dicki - am Di, 04. Januar 2005, 16:52 - Rubrik: in eigener Sache
Wie das Leben so spielt. Zum Jahresbeginn wollte ich Erfreuliches schreiben; Quirinus ist negativ, aber der wahre Dicki ist positiv. Denkste!
Zunächst gab es kurz vor Mitternacht aggressives Gebölke auf der Straße. Das fängt ja gut an, dachte ich nicht ganz korrekt, und trat mit mulmigen Gefühl und mißgestimmt wenig später auf den Balkon. Doch welch angenehme Überraschung: ein paar Häuser weiter stand eine Gruppe Kleinkinder, ein paar Erwachsene zündeten Feuerwerk für sie: kleine funkensprühende Silberfontänen und ein bißchen Knatterkram, zehn Meter weiter huschte zischend eine Rakete nach der anderen gen Himmel. Bevor ich mich den Lichtkugeln und Feuerschweifen und dem Knistern und Knastern nah und fern zuwandte, beobachtete ich erfreut die Kleinen. Einige waren sichtlich aufgeregt, andere standen still am Rand und sahen andächtig in den Feuerzauber, wieder andere hielten eine Wunderkerze. Niedlich!
Das Feuerwerk: wie üblich und bekannt viel Lärm um Nichts, viele Raketen und "Batterien" so-so, doch einige ganz wundervolle Teile dazwischen. Das Telefon klingelte, meine Mutter dran, die ich kurz zuvor nicht an die Strippe bekommen hatte. Ja, sie sei mit Nachbarn auf der Straße gewesen und habe zugeschaut. Dabei sei ihr manch früheres Silvester durch den Kopf gegangen. Die schönen Vesuve immer, die sie mitten auf die Straße gestellt habe. Die gebe es so ja gar nicht mehr. Auch ich erinnerte mich und sah ein vergessenes Bild: vor jedem Haus standen Menschen und feuerwerkten oder sahen zu, man kannte und grüßte sich, und kehrte bald - die Winter waren meist schweinekalt - wieder in die beheizte Stube zurück, lauschte dem Radioprogramm oder schnackte und spielte, und dann ging man zu Bett. (Die einfachen Leute hatten damals meist noch kein Auto und schon gar nicht das Geld für einen Winterurlaub. Wozu auch verreisen - man genoß Schnee und Eis, lief Schlittschuh und fuhr Schlitten oder spazierte durch verschneite Straßen.)
Dann legte ich "Transformer" von Lou Reed auf; zuerst mußte ich "Satellite of Love" hören, dann die komplette LP. Now we're coming out - out of our closets - out on the streets - yeah, we're coming out! Kein schlechtes Motto für dieses Jahr. Gegen Ende der zweiten Seite nahm ich Störgeräusche wahr. Und richtig, mein Nachbar, der mich schon am Morgen damit überrascht hatte, daß er seine Musik laut drehte, um sie auch unter der Dusche hören zu können, feierte mit Freunden. Gut dachte ich, Frauenstimmen dazischen, werden Pärchen sein, die wollen dann bald ins Bett usw., danach ist wieder Ruhe (der wahre Dicki denkt positiv!).
Also legte ich weiterhin Platten auf, laut, um die Störgeräusche zu übertönen (zum Glück keine Tanzparty, sonst hätte alles nichts genützt); Augustus Pablo, Portishead und anderes, bis ich müde und musikalisch gesättigt die Anlage ausstellte. Von nebenan grummelte und dröhnte es weiterhin. Ich rief an. "Ja?" - "Hallo, hier ist [der wahre Dicki] von nebenan. Erstmal ein frohes neues Jahr." - "Ja, ein frohes Neues." - "Kommt ihr dann bitte mit der Lautstärke runter?" -"Äh, ja, das werden wir tun. Dann weiterhin einen guten Schlaf." - "Danke. Tschüs."
Eine wie immer unbedarft klingende Stimme und wie jedesmal kein Wort des Bedauerns oder der Entschuldigung. Aber wenigstens verebbte die Musik bzw. die durch sie ausgelösten Resonanzen der Wände. Viele dieser jungen Leute, paßt man vom Alter her in deren Wahrnehmungsschema 'Eltern', geben einem das Gefühl, geduldet zu sein. Nicht mehr als das. Geduldet. Damit bin auch ich bei Quirinus und der Parole SCHEISSEGAL - JA angekommen, da hilft aller Wille zum positiven Denken nichts. Diese Gesellschaft leistet sich eine Scheinfreiheit; es ist die Freiheit der Stärkeren, der Schäbigen, der Lauten und der Rücksichtslosen. Die frühen Sechziger, so beengt sie uns damals erschienen, kannten auch Toleranz, Rücksichtnahme, Anteilnahme und Benimm, und es gab eine Aufbruchsstimmung. Das ist eine ganze Menge mehr als diese moderne Zeit mit ihrer Abbruchstimmung und SCHEISSEGAL-Laune zu bieten hat.
Zunächst gab es kurz vor Mitternacht aggressives Gebölke auf der Straße. Das fängt ja gut an, dachte ich nicht ganz korrekt, und trat mit mulmigen Gefühl und mißgestimmt wenig später auf den Balkon. Doch welch angenehme Überraschung: ein paar Häuser weiter stand eine Gruppe Kleinkinder, ein paar Erwachsene zündeten Feuerwerk für sie: kleine funkensprühende Silberfontänen und ein bißchen Knatterkram, zehn Meter weiter huschte zischend eine Rakete nach der anderen gen Himmel. Bevor ich mich den Lichtkugeln und Feuerschweifen und dem Knistern und Knastern nah und fern zuwandte, beobachtete ich erfreut die Kleinen. Einige waren sichtlich aufgeregt, andere standen still am Rand und sahen andächtig in den Feuerzauber, wieder andere hielten eine Wunderkerze. Niedlich!
Das Feuerwerk: wie üblich und bekannt viel Lärm um Nichts, viele Raketen und "Batterien" so-so, doch einige ganz wundervolle Teile dazwischen. Das Telefon klingelte, meine Mutter dran, die ich kurz zuvor nicht an die Strippe bekommen hatte. Ja, sie sei mit Nachbarn auf der Straße gewesen und habe zugeschaut. Dabei sei ihr manch früheres Silvester durch den Kopf gegangen. Die schönen Vesuve immer, die sie mitten auf die Straße gestellt habe. Die gebe es so ja gar nicht mehr. Auch ich erinnerte mich und sah ein vergessenes Bild: vor jedem Haus standen Menschen und feuerwerkten oder sahen zu, man kannte und grüßte sich, und kehrte bald - die Winter waren meist schweinekalt - wieder in die beheizte Stube zurück, lauschte dem Radioprogramm oder schnackte und spielte, und dann ging man zu Bett. (Die einfachen Leute hatten damals meist noch kein Auto und schon gar nicht das Geld für einen Winterurlaub. Wozu auch verreisen - man genoß Schnee und Eis, lief Schlittschuh und fuhr Schlitten oder spazierte durch verschneite Straßen.)
Dann legte ich "Transformer" von Lou Reed auf; zuerst mußte ich "Satellite of Love" hören, dann die komplette LP. Now we're coming out - out of our closets - out on the streets - yeah, we're coming out! Kein schlechtes Motto für dieses Jahr. Gegen Ende der zweiten Seite nahm ich Störgeräusche wahr. Und richtig, mein Nachbar, der mich schon am Morgen damit überrascht hatte, daß er seine Musik laut drehte, um sie auch unter der Dusche hören zu können, feierte mit Freunden. Gut dachte ich, Frauenstimmen dazischen, werden Pärchen sein, die wollen dann bald ins Bett usw., danach ist wieder Ruhe (der wahre Dicki denkt positiv!).
Also legte ich weiterhin Platten auf, laut, um die Störgeräusche zu übertönen (zum Glück keine Tanzparty, sonst hätte alles nichts genützt); Augustus Pablo, Portishead und anderes, bis ich müde und musikalisch gesättigt die Anlage ausstellte. Von nebenan grummelte und dröhnte es weiterhin. Ich rief an. "Ja?" - "Hallo, hier ist [der wahre Dicki] von nebenan. Erstmal ein frohes neues Jahr." - "Ja, ein frohes Neues." - "Kommt ihr dann bitte mit der Lautstärke runter?" -"Äh, ja, das werden wir tun. Dann weiterhin einen guten Schlaf." - "Danke. Tschüs."
Eine wie immer unbedarft klingende Stimme und wie jedesmal kein Wort des Bedauerns oder der Entschuldigung. Aber wenigstens verebbte die Musik bzw. die durch sie ausgelösten Resonanzen der Wände. Viele dieser jungen Leute, paßt man vom Alter her in deren Wahrnehmungsschema 'Eltern', geben einem das Gefühl, geduldet zu sein. Nicht mehr als das. Geduldet. Damit bin auch ich bei Quirinus und der Parole SCHEISSEGAL - JA angekommen, da hilft aller Wille zum positiven Denken nichts. Diese Gesellschaft leistet sich eine Scheinfreiheit; es ist die Freiheit der Stärkeren, der Schäbigen, der Lauten und der Rücksichtslosen. Die frühen Sechziger, so beengt sie uns damals erschienen, kannten auch Toleranz, Rücksichtnahme, Anteilnahme und Benimm, und es gab eine Aufbruchsstimmung. Das ist eine ganze Menge mehr als diese moderne Zeit mit ihrer Abbruchstimmung und SCHEISSEGAL-Laune zu bieten hat.
Dicki - am Sa, 01. Januar 2005, 17:31 - Rubrik: in eigener Sache
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Es war wohl 1970 in den Tagen nach Weihnachten, als mir die Eltern eines Mitschülers - Vater Taxifahrer, Mutter Putzfrau - stolz ihren nigelnagelneuen Brockhaus zeigten. Wohl hatte ich schon verschiedenste Nachschlagewerke gesehen und auch darin geblättert (Musik, Malerei, Medizin, Gärtnerei), doch wußte ich mir auf diese Besitzerfreude keinen Reim zu machen. Erst viel später verstand ich, daß dieses 20-bändige (?) Lexikon sie in den Besitz all des Wissens brachte, dessen sie zu mangeln glaubten.
Heute bezieht man mehr denn je sein Wissen aus dem Fernsehen und ist daher so schlau wie jeder, weil die Anderen aus der selben Quelle schöpfen. Sich durch Lesen bilden? Allenfalls den body builden. Es kommt mehr denn je auf Äußerlichkeiten an; zu Weihnachten muß es dann ausufernder, monströser, regelrecht obszöner Glühbirnenramsch sein, aufdringlich drapiert an Hauswände, Balkone, in Fenstern, auf Dächern. Dem schlechten Geschmack sind keine Grenzen gesetzt. Im 'Fernsehzeitalter' ist kein Platz mehr für innere Regungen, du mußt deine Besinnlichkeit zeigen, alles andere - ha, das wollte ich noch bringen:
Helmuth Karasek zitiert Billy Wilder ("Billy Wilder - eine Nahaufnahme von Helmuth Karasek"), der aus einem Almanach von 1860 zitiert:
Über Küsse
Auf die Stirn küßt die Unschuld,
Auf den Mund die wahre Liebe,
In die hohle Hand Begierde,
Alles andre Raserei.
Heute bezieht man mehr denn je sein Wissen aus dem Fernsehen und ist daher so schlau wie jeder, weil die Anderen aus der selben Quelle schöpfen. Sich durch Lesen bilden? Allenfalls den body builden. Es kommt mehr denn je auf Äußerlichkeiten an; zu Weihnachten muß es dann ausufernder, monströser, regelrecht obszöner Glühbirnenramsch sein, aufdringlich drapiert an Hauswände, Balkone, in Fenstern, auf Dächern. Dem schlechten Geschmack sind keine Grenzen gesetzt. Im 'Fernsehzeitalter' ist kein Platz mehr für innere Regungen, du mußt deine Besinnlichkeit zeigen, alles andere - ha, das wollte ich noch bringen:
Helmuth Karasek zitiert Billy Wilder ("Billy Wilder - eine Nahaufnahme von Helmuth Karasek"), der aus einem Almanach von 1860 zitiert:
Über Küsse
Auf die Stirn küßt die Unschuld,
Auf den Mund die wahre Liebe,
In die hohle Hand Begierde,
Alles andre Raserei.
Dicki - am So, 26. Dezember 2004, 13:59 - Rubrik: in eigener Sache
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Freitag war Wichtelabend. Wer es nicht kennt: Wichteln ist eine Art Julklapp. Jeder hatte ein kitschiges Etwas und ein ausrangiertes Buch mitgebracht, selbstverständlich in Geschenkpapier verpackt. Erst einmal gabs Chicken-Mango-Curry-Suppe, danach Kaffee und Punsch bzw. Rotwein, und als alle Neuigkeiten berichtet waren, wurde um die Gaben gewürfelt. Wer eine 6 hatte, konnte sich vom Stapel etwas aussuchen. Unerwarteterweise waren am Ende alle zufrieden mit ihren Teilen, aber warum auch nicht; es muß ja nicht jedesmal Schrott sein, den man einpackt.
Eigentlich sollte ich etwas vorlesen oder sogar aufführen, aber ich hatte die Bücher zuhause vergessen, aus denen ich eine Geschichte und ein Hörspiel ausgewählt hatte. Also versuchte ich zu improvisieren und begann, die Geschichte von den drei kleinen Schweinen und dem großen Wolf zu erzählen. "Es war einmal vor langer, langer Zeit, da lebten in einem Wald drei kleine Schweine; Schweinchen Dick, Schweinchen Schlau und Schweinchen Pustekuchen." Nicht nur ich merkte, daß hier etwas nicht stimmte, aber ich tastete mich weiter durch das Dunkel eines vergessenen Tiermärchens. "Eines Tages kam ein großer Wolf zu dem Haus, in dem Schweinchen Pustekuchen wohnte, klopfte an die Tür und rief: ich kann dich riechen, kleines Schwein, öffne die Tür und laß mich hinein! Das Schweinchen aber sagte: Pustekuchen! und dachte gar nicht daran, dem Wolf zu öffnen. Da holte der große Wolf tief Luft und blies das Haus von Schweinchen Pustekuchen einfach fort."
In diesem Moment war nur noch Leere in meinem Kopf, nichts fiel mir ein, und die Freunde, noch unter dem Eindruck der nahrhaften und reichlichen Suppe, konnten die Geschichte auch nicht weiterspinnen. Wir sahen uns ein wenig verlegen an, überlegten dann, ob wir etwas spielen wollten und welches Spiel denn für unseren Zustand geeignet wäre. Nebenher blätterte ich in dem "neuen" Buch - James Jones, "Mai in Paris" - und stutzte, las dann laut vor: Martine war eine Blondine aus Südfrankreich. Es gibt dort solche. Gott mag wissen, woher sie kommen, vielleicht aus der Toscana. Hä? Das war ja wohl absurd. Vielleicht wollte er einen Witz machen, schlug jemand vor. So mag es gewesen sein.
Aber wie geht eigentlich die Geschichte von den drei kleinen Schweinen und dem großen Wolf richtig?
Eigentlich sollte ich etwas vorlesen oder sogar aufführen, aber ich hatte die Bücher zuhause vergessen, aus denen ich eine Geschichte und ein Hörspiel ausgewählt hatte. Also versuchte ich zu improvisieren und begann, die Geschichte von den drei kleinen Schweinen und dem großen Wolf zu erzählen. "Es war einmal vor langer, langer Zeit, da lebten in einem Wald drei kleine Schweine; Schweinchen Dick, Schweinchen Schlau und Schweinchen Pustekuchen." Nicht nur ich merkte, daß hier etwas nicht stimmte, aber ich tastete mich weiter durch das Dunkel eines vergessenen Tiermärchens. "Eines Tages kam ein großer Wolf zu dem Haus, in dem Schweinchen Pustekuchen wohnte, klopfte an die Tür und rief: ich kann dich riechen, kleines Schwein, öffne die Tür und laß mich hinein! Das Schweinchen aber sagte: Pustekuchen! und dachte gar nicht daran, dem Wolf zu öffnen. Da holte der große Wolf tief Luft und blies das Haus von Schweinchen Pustekuchen einfach fort."
In diesem Moment war nur noch Leere in meinem Kopf, nichts fiel mir ein, und die Freunde, noch unter dem Eindruck der nahrhaften und reichlichen Suppe, konnten die Geschichte auch nicht weiterspinnen. Wir sahen uns ein wenig verlegen an, überlegten dann, ob wir etwas spielen wollten und welches Spiel denn für unseren Zustand geeignet wäre. Nebenher blätterte ich in dem "neuen" Buch - James Jones, "Mai in Paris" - und stutzte, las dann laut vor: Martine war eine Blondine aus Südfrankreich. Es gibt dort solche. Gott mag wissen, woher sie kommen, vielleicht aus der Toscana. Hä? Das war ja wohl absurd. Vielleicht wollte er einen Witz machen, schlug jemand vor. So mag es gewesen sein.
Aber wie geht eigentlich die Geschichte von den drei kleinen Schweinen und dem großen Wolf richtig?
Dicki - am So, 19. Dezember 2004, 19:34 - Rubrik: in eigener Sache
Weil Herr Semmelmann von seinem RSS-Feed-Reader-Beeper abgenervt ist und obendrein rumnörgelt, ich sei ein fauler Sack, will ich ihm heute schon sein Weihnachtsgeschenk geben: damit Ruhe ist. Semmel, ist das klar!
Noch heute huldigen die zahlreichen Biographien und Berichte über die Beatles dem falschen äußeren Schein und basteln weiter an der Mär von den unglaublichen vier Jungen aus Liverpool, die sauber und unschuldig auszogen, die Welt zu erobern. Da kann John Lennon sonstwas erzählen, offensichtlich will das niemand hören. Die Beatles sind inzwischen so etwas wie die Gracia Patricia oder Königin Silvia für die reifere Rock'n'Roll-Jugend geworden.
Unkritische Beatles-Serien in jedem Jugend-Magazin und tausend Versuche, eine längst verweste Leiche wieder zum Leben zu erwecken, das grenzt schon an Nekrophilie.
Wer über das 'Goldene Blatt' seiner Oma lacht, sollte sich mal an die eigene Brust schlagen.
(Klaus Plaumann, "The Beatage", 1978, Zweitauseneins)
Und wer bis hierher gelesen hat, soll auch nicht leer ausgehen: mein Lieblingszitat aus diesem Buch schenke ich meinem Blog ebenso wie dir, verehrter und geschätzter Immerweiterleser.
Oder die Remo Four, die Lieblingsgruppe der Beatles hatte Manfred Weißleder in Star Club News geschrieben, das war für euch selbstverständlich, wer konnte, nachdem er sie gehört hatte, an so etwas zweifeln. Der Gitarrist spielte "Peter Gun" mit einer Hand, zeigte mit der rechten stolz lächelnd immer wieder auf die Finger, die die Saiten antippten, reizten, irre, Mann, mit einer Hand! Und ihr wart schon reichlich in Stimmung, links vorn an der Bühne, wo der Kellner ein Herz hatte, das er für fünfzig Pfennig weich werden ließ, ihr mußtet, nachdem ihr diesen Obulus entrichtet hattet, nichts trinken, obwohl ihr bei "Peter Gun" schon einen verzweifelt trockenen Gaumen hattet.
Wenn dann Brian Parrish von den Londoners die hochgeschnallte Rickenbacker sanft anschlug und "That's My Desire" ins Mikrofon hauchte, dann war sein Wunsch auch eurer, wenn er in seiner engen rosa Hose, den Kopf im Nacken, stolz dastand und "Bring It On Home To Me" zurückbrachte, dann konnte er ruhig schwul sein, das war euch egal, dann wart ihr eben auch schwul.
Dann hab ich noch dies:

Und natürlich sage ich auch dieses Jahr wieder mein Gedicht auf:
Zicke Zacke Hühnerkacke!
Noch heute huldigen die zahlreichen Biographien und Berichte über die Beatles dem falschen äußeren Schein und basteln weiter an der Mär von den unglaublichen vier Jungen aus Liverpool, die sauber und unschuldig auszogen, die Welt zu erobern. Da kann John Lennon sonstwas erzählen, offensichtlich will das niemand hören. Die Beatles sind inzwischen so etwas wie die Gracia Patricia oder Königin Silvia für die reifere Rock'n'Roll-Jugend geworden.
Unkritische Beatles-Serien in jedem Jugend-Magazin und tausend Versuche, eine längst verweste Leiche wieder zum Leben zu erwecken, das grenzt schon an Nekrophilie.
Wer über das 'Goldene Blatt' seiner Oma lacht, sollte sich mal an die eigene Brust schlagen.
(Klaus Plaumann, "The Beatage", 1978, Zweitauseneins)
Und wer bis hierher gelesen hat, soll auch nicht leer ausgehen: mein Lieblingszitat aus diesem Buch schenke ich meinem Blog ebenso wie dir, verehrter und geschätzter Immerweiterleser.
Oder die Remo Four, die Lieblingsgruppe der Beatles hatte Manfred Weißleder in Star Club News geschrieben, das war für euch selbstverständlich, wer konnte, nachdem er sie gehört hatte, an so etwas zweifeln. Der Gitarrist spielte "Peter Gun" mit einer Hand, zeigte mit der rechten stolz lächelnd immer wieder auf die Finger, die die Saiten antippten, reizten, irre, Mann, mit einer Hand! Und ihr wart schon reichlich in Stimmung, links vorn an der Bühne, wo der Kellner ein Herz hatte, das er für fünfzig Pfennig weich werden ließ, ihr mußtet, nachdem ihr diesen Obulus entrichtet hattet, nichts trinken, obwohl ihr bei "Peter Gun" schon einen verzweifelt trockenen Gaumen hattet.
Wenn dann Brian Parrish von den Londoners die hochgeschnallte Rickenbacker sanft anschlug und "That's My Desire" ins Mikrofon hauchte, dann war sein Wunsch auch eurer, wenn er in seiner engen rosa Hose, den Kopf im Nacken, stolz dastand und "Bring It On Home To Me" zurückbrachte, dann konnte er ruhig schwul sein, das war euch egal, dann wart ihr eben auch schwul.
Dann hab ich noch dies:

Und natürlich sage ich auch dieses Jahr wieder mein Gedicht auf:
Zicke Zacke Hühnerkacke!
Dicki - am Do, 16. Dezember 2004, 20:58 - Rubrik: in eigener Sache
Wie ich kürzlich erfuhr, heißen die Ein-Euro-Jobs jetzt "In-Jobs", mit "In" für Integration. Da werden Werbe-Fuzzis gut bezahlt (die Agenturen zumindest), um sich für jede neue Schweinerei eine "sexy" Bezeichnung auszudenken. Auch eine Art der Sprachverhunzung, denn wenn die Sprache nicht mehr ihrem allerersten Zweck dient - die Wirklichkeit zu beschreiben -, dann wird sie überflüssig (gemacht).
Vielleicht ist dies auch ein Grund für die eklatante Unfähigkeit junger Menschen, Worte richtig zu schreiben, und über den Sinn von Worten nachzudenken. Ist ja sowieso egal; was zählt, ist was ich meine, und das mußt du eben erraten. Oder heute in einem Forum: "Kannst du mir etwas erklehren (...)". Hajo aus meinem Linuxkurs sagte prompt, das könne ihn nicht mehr erschüttern; den "Offenen Kanal" erreichten gelegentlich E-mails, deren Sinn man nicht einmal erraten könne.
Der Tiefpunkt des heutigen Tages aber war die vor einer Stunde auf einem Balkon gesichtete bonschengrüne Lichterkette. Es grünt so grün, wenn deutsche Birnen glühen (dadada-didadida dadada-didadida). Dagegen kommt mir selbst Peter Struck mit seinem aufblasbaren Christbaum bei der Truppe in Afghanistan manierlich vor.
So sah Weihnachtskitsch vor rund 100 Jahren aus:
Guter, angenehmer Kitsch.
Vielleicht ist dies auch ein Grund für die eklatante Unfähigkeit junger Menschen, Worte richtig zu schreiben, und über den Sinn von Worten nachzudenken. Ist ja sowieso egal; was zählt, ist was ich meine, und das mußt du eben erraten. Oder heute in einem Forum: "Kannst du mir etwas erklehren (...)". Hajo aus meinem Linuxkurs sagte prompt, das könne ihn nicht mehr erschüttern; den "Offenen Kanal" erreichten gelegentlich E-mails, deren Sinn man nicht einmal erraten könne.
Der Tiefpunkt des heutigen Tages aber war die vor einer Stunde auf einem Balkon gesichtete bonschengrüne Lichterkette. Es grünt so grün, wenn deutsche Birnen glühen (dadada-didadida dadada-didadida). Dagegen kommt mir selbst Peter Struck mit seinem aufblasbaren Christbaum bei der Truppe in Afghanistan manierlich vor.
So sah Weihnachtskitsch vor rund 100 Jahren aus:

Dicki - am Mo, 13. Dezember 2004, 21:07 - Rubrik: in eigener Sache
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Ich neulich mit Mister X am Trinken. Ich so: "Ich halt das Gejammer nich mehr aus!" - "Aber ich jammer doch gaanich." - "Nee, von die Mänädschers, den ihr Gejammer." Nicken, Düstermiene: "Die hohn Lohnkosten." - "Dabei kriegen die ein hundertfaches" - "vierhunderfaches!" - "von eim Arbeiter." Kopfschütteln, nächstes Glas, Prost.
Ich wieder: "Ich jammer auch nich." - "Nee, du nich, die am meistn habn, die. Die jammern uns die Ohrn voll, wie schrecklich das alles iss, hia. - Du, die müssn mal getröstet werdn!" Ich so: "Alter, das iss genial: Ich werd Mänädschertröster! Da brauch ich ne Perücke, Plastikbusn zum Umschnalln, so Lederzeuch und bisschen Assessoaas, un denn könn die bei mia blechn, un denn kriegn die die volle Tröstung." - "Gehst du zum Mänädscher, vergiß die Peitsche nich!" - "Prost." - "Joa."
Ich wieder: "Ich jammer auch nich." - "Nee, du nich, die am meistn habn, die. Die jammern uns die Ohrn voll, wie schrecklich das alles iss, hia. - Du, die müssn mal getröstet werdn!" Ich so: "Alter, das iss genial: Ich werd Mänädschertröster! Da brauch ich ne Perücke, Plastikbusn zum Umschnalln, so Lederzeuch und bisschen Assessoaas, un denn könn die bei mia blechn, un denn kriegn die die volle Tröstung." - "Gehst du zum Mänädscher, vergiß die Peitsche nich!" - "Prost." - "Joa."
Dicki - am Fr, 03. Dezember 2004, 11:47 - Rubrik: in eigener Sache
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könnte man lapidar und nichtsahnend sagen, aber so ist das ganz und gar nicht.
Semmelmann geht: nach 888 Tagen vielfältiger Geschichten in seinem ganz eigenen Stil stellt er (vorläufig?) das Bloggen ein. Glücklicherweise ist die Kolumne weiterhin online, zum Nachlesen. Es gibt nur einen Semmelmann, also bittebitte: Junge, komm bald wieder!
Neu im Netz ist I'm a Peeliever, wo Hella Unbekanntes und Obskures vom Gestern bis zum Heute (und vielleicht noch ein wenig mehr) der populären Musik vorstellt. Dazu meine besten Wünsche!
Semmelmann geht: nach 888 Tagen vielfältiger Geschichten in seinem ganz eigenen Stil stellt er (vorläufig?) das Bloggen ein. Glücklicherweise ist die Kolumne weiterhin online, zum Nachlesen. Es gibt nur einen Semmelmann, also bittebitte: Junge, komm bald wieder!
Neu im Netz ist I'm a Peeliever, wo Hella Unbekanntes und Obskures vom Gestern bis zum Heute (und vielleicht noch ein wenig mehr) der populären Musik vorstellt. Dazu meine besten Wünsche!
Dicki - am Di, 23. November 2004, 18:56 - Rubrik: in eigener Sache
am 11. November 1989, ging ich ins "Kairo", um endlich die "Pillbox Boys" zu sehen; eine Band aus dem Stadtteil Walle, die als ziemlich gut galt (das "Kairo" -bzw. heute "Karo" - ist ein Veranstaltungslokal in Walle). Ziemlich gut, naja, da blieb ich skeptisch.
Mitfiebernd hatte ich die zahlreichen Fernsehberichte über Maueröffnung, Menschenströme und Jubelfeiern, über lachende, weinende, singende Menschen, über Begeisterung und Sentimentalität, Erschütterung und Gefühlskitsch seit dem Abend des 9.11. verfolgt und war euphorisch gestimmt. Erstarrtes war in Bewegung geraten, die Vernunft schien zu siegen und ganz neue Perspektiven eröffneten sich (bis sie flugs von der real existierenden 'Wohlstandsgesellschaft' erstickt wurden).
Das Lokal war proppevoll ("Ey, das ist ja voll voll hier!" hatte mal ein jüngerer Gast ausgerufen), wir standen dicht an dicht, die Theke wurde als Sitzfläche genutzt. Diese Enge hätte normalerweis Streß und Gereiztheit bedeutet, nicht so an diesem Abend. Die Stimmung war ungewöhnlich gut. Über die aktuellen Ereignisse wurde nicht geredet, das war einfach kein Thema, nicht in meiner Hörweite, doch offensichtlich waren alle von einer Aufbruchsstimmung erfaßt.
Dann kamen die Jungs auf die Bühne und legten los. Nicht, daß mir jeder Song gefallen hätte. Aber sie machten eine gute Figur auf der Bühne, spielten gut und waren von ihrer Musik überzeugt, die frisch, eigenständig und kraftvoll rüberkam. Die Power der Musik entsprach der des Sängers: Stefan muß man ein Naturtalent nennen (leider nicht als Texter), der mit beeindruckender Stimme auch dann absolut sicher war, wenn er das Harmoniegerüst verließ und frei genau die richtigen Töne traf. Den tiefsten Eindruck machte ihr potenzieller Hit "American Conversation". Mit ein paar kräftigen Anschlägen leitet die Gitarre den Song ein und geht dann in ein verhaltenes Staccato auf zwei Tönen über. Der Gesang setzt ein, der Bass spielt zur Unterstützung lang ausgehaltene Noten. Nach der ersten Strophe geht das Schlagzeug los und gibt - unter einem geradlinigen Achtelnoten-Bass - mit kleinen Füllseln und Breaks dem Song einen unwiderstehlichen Drive. Über 5 Minuten und 40 Sekunden voller Wiederholungen und zwei Instrumentalbreaks halten die Musiker eine Steigerung bis zum Finale durch. - Natürlich mußten sie das Lied als Zugabe noch einmal spielen.
An keinem anderen Abend und zu keiner anderen Zeit wäre mir diese Power willkommener gewesen: verheißungsvoll wie die geöffnete Grenze und der Abriß des 'antifaschistischen Schutzwalls' durch die Mauerspechte.
Mitfiebernd hatte ich die zahlreichen Fernsehberichte über Maueröffnung, Menschenströme und Jubelfeiern, über lachende, weinende, singende Menschen, über Begeisterung und Sentimentalität, Erschütterung und Gefühlskitsch seit dem Abend des 9.11. verfolgt und war euphorisch gestimmt. Erstarrtes war in Bewegung geraten, die Vernunft schien zu siegen und ganz neue Perspektiven eröffneten sich (bis sie flugs von der real existierenden 'Wohlstandsgesellschaft' erstickt wurden).
Das Lokal war proppevoll ("Ey, das ist ja voll voll hier!" hatte mal ein jüngerer Gast ausgerufen), wir standen dicht an dicht, die Theke wurde als Sitzfläche genutzt. Diese Enge hätte normalerweis Streß und Gereiztheit bedeutet, nicht so an diesem Abend. Die Stimmung war ungewöhnlich gut. Über die aktuellen Ereignisse wurde nicht geredet, das war einfach kein Thema, nicht in meiner Hörweite, doch offensichtlich waren alle von einer Aufbruchsstimmung erfaßt.

Dann kamen die Jungs auf die Bühne und legten los. Nicht, daß mir jeder Song gefallen hätte. Aber sie machten eine gute Figur auf der Bühne, spielten gut und waren von ihrer Musik überzeugt, die frisch, eigenständig und kraftvoll rüberkam. Die Power der Musik entsprach der des Sängers: Stefan muß man ein Naturtalent nennen (leider nicht als Texter), der mit beeindruckender Stimme auch dann absolut sicher war, wenn er das Harmoniegerüst verließ und frei genau die richtigen Töne traf. Den tiefsten Eindruck machte ihr potenzieller Hit "American Conversation". Mit ein paar kräftigen Anschlägen leitet die Gitarre den Song ein und geht dann in ein verhaltenes Staccato auf zwei Tönen über. Der Gesang setzt ein, der Bass spielt zur Unterstützung lang ausgehaltene Noten. Nach der ersten Strophe geht das Schlagzeug los und gibt - unter einem geradlinigen Achtelnoten-Bass - mit kleinen Füllseln und Breaks dem Song einen unwiderstehlichen Drive. Über 5 Minuten und 40 Sekunden voller Wiederholungen und zwei Instrumentalbreaks halten die Musiker eine Steigerung bis zum Finale durch. - Natürlich mußten sie das Lied als Zugabe noch einmal spielen.
An keinem anderen Abend und zu keiner anderen Zeit wäre mir diese Power willkommener gewesen: verheißungsvoll wie die geöffnete Grenze und der Abriß des 'antifaschistischen Schutzwalls' durch die Mauerspechte.

Dicki - am Do, 11. November 2004, 21:13 - Rubrik: in eigener Sache
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ich nicht erfinden kann: (heute im Weser Kurier) Jaana Ehmcke (Rekordschwimmerin), und Hans-Helmut Kotz (Bundesbank-Vorstandsmitglied). Wohlmeinend und gutgläubig habe ich zunächst "Klotz" gelesen. "Kotz" paßt aber auch viel besser zum abgedruckten Portraitfoto.
Das erinnert mich an eine Begegnung in meiner Zivildienstzeit: da wollte eine Frau Kackebart einen Jugendherbergsausweis ausgestellt bekommen. Meine Gesichtszüge vereisten vor Verlegenheit, als sie ihren Namen nannte. "Was kann man denn mit diesem Namen werden?" fragte ich tags darauf eine Freundin. - "Toilettenfrau."
Das erinnert mich an eine Begegnung in meiner Zivildienstzeit: da wollte eine Frau Kackebart einen Jugendherbergsausweis ausgestellt bekommen. Meine Gesichtszüge vereisten vor Verlegenheit, als sie ihren Namen nannte. "Was kann man denn mit diesem Namen werden?" fragte ich tags darauf eine Freundin. - "Toilettenfrau."
Dicki - am Di, 09. November 2004, 23:52 - Rubrik: in eigener Sache
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