1968
aus aller Welt
ballaballa
Beobachtungen in der Natur
charmsing
deutsche kenneweiss
Dicki TV
Dickimerone
Dickis Reisen
die kleine Anekdote
dirty old town
Empfehlung
Erwins Welt
Eugen
in eigener Sache
Java
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren
icon

 
Linke Vögel hatten Konrad Lorenz in Verschiß getan, aber Graugänse fanden ihn ganz okay.

graugans


Graugänse, Lorenz (r.): "Der ist ganz okay"



Wenn du - Jahrgang 1920 - achtzehnjährig deine Gesellenprüfung zum Koch bestanden und als Auszeichnung eine Ausgabe von "Mein Kampf" geschenkt bekommen hast, kurz darauf zur Wehrmacht einberufen wurdest und im Jahr darauf, weil 'der Pole' einmal zu oft 'provoziert' hatte, in den Krieg ziehen mußtest, den einen oder anderen Sieg miterleben konntest, 1941/42 in Jugoslawien stationiert warst und - Glück im Unglück - 1944 mit offener Tuberkulose in ein Lazarett im Westen kamst, wo du dich in eine Krankenschwester verliebtest, die deine Gefühle erwiderte, zweites Kind zerstrittener Eltern wie du selbst, und 1946 eine Heirat unausweichlich - aber auch gewünscht - wurde, weil ein Kind unterwegs war, die 'Niederlage' dir vielleicht nicht so furchtbar viel bedeutete - endlich Frieden! -, aber die Schmach, daß fanatische Landsleute wehrlose Menschen zu Tausenden und Hunderttausenden ermordet hatten, auf dir lastete, vielleicht noch mehr die selbsterlebten Exzesse im Kampf gegen 'den Feind', dann - darauf will ich hinaus - dann also würdest du vielleicht ebenfalls kein Wort über diese Jahre verloren haben wollen, um nicht an die Greuel, die dir ein Greuel waren, um nicht an die Schuld, die irgendwie und möglicherweise auch tatsächlich deine Schuld war, denken zu müssen.

Du hättest ganz rational zu Kopfschmerzen geneigt und dir Tabletten verschreiben lassen, die dir einen scheinbaren Frieden bescherten, solange sie die Bilder der Erinnerung von dir fernhalten konnten. Wir können das heute leicht in Worte fassen; wir, die wir an keinem Krieg teilgenommen haben und nicht die Zeit der Polarisierung und anschließenden Militarisierung, die Herrschaft des Wahnsinns miterlebt haben: der Krieg hat dich sechs lange Jahre lang traumatisiert. Das sagt sich so. Mein Vater wollte nicht darüber sprechen, es war seine Entscheidung, er hat geirrt, das Aussprechen des vermeintlich Unaussprechlichem hätte ihn erleichtert.

Die Tabletten, die du - wie meine Mutter sehr viel später sagte - wie Bonschen aßest (50 Tabletten in einer Woche), ruinierten deine Nieren, du wurdest Dialysepatient wegen Nierenversagen, bekamst Tabletten gegen die Nebenwirkungen der Behandlung und Tabletten gegen die Nebenwirkungen der Tabletten gegen die Nebenwirkungen. Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker? Der verschreibt munter Tabletten.

In der Nacht des 12. November 1976 veließ ich (trotz Verbot) unsere Wohnung im Erdgeschoß durch das Fenster meines Zimmers, begab mich zu Jörg L., in dessen Zimmer sich die Genossen des Jugendverbandes einfanden, um uns gemeinsam zum Abfahrtsplatz der Busse zu begeben, die uns und viele andere Atomkraftgegener zur Demonstration in Brokdorf bringen sollten, zu unserem Krieg. Meinen Eltern hinterließ ich einen rechtfertigenden Wisch; so wußten sie wo ich war, und, mir wichtiger, weshalb. Angst hatte ich kaum, denn wenn ich etwas fühlte, dann eine grenzenlose Empörung über Unrecht im Allgemeinen, die sich nun entladen sollte. Mit einsetzender Abenddämmerung erreichte unser Grüppchen den Bauplatz, irrte hier- und dorthin, duckte sich unwillkürlich unterm Knattern der Polizeihubschrauber, hörte die "Mörder! Mörder!"-Rufe, während von beiden Seiten Steine in die gegnerischen Reihen geworfen wurden und war ebenso erschöpft wie erleichtert, als wir am frühen Morgen den Bus erreichten, der uns ins behütete Zuhause zurückbrachte.

Am Sonntagnachmittag sah ich meinen Vater zum letzten Mal lebendig, als er sich, auf meine Mutter gestützt, kreidebleich zur Toilette schleppte. Am Abend wurde er ins Krankenhaus eingeliefert, und im Laufe des Montags, dem 15. November vor 30 Jahren, starb er. Meine Mutter war bei ihm, und er scheint sehr gefasst gewesen zu sein, versöhnt vielleicht mit seinem Leben; jedenfalls dankte er seiner Gemahlin und Gefährtin ihre Anwesenheit und überhaupt alles, und das will schon etwas heißen, denn verstanden haben sie sich nun wirklich nicht immer. Aber die Ewigkeit relativiert alles auf Erden und du siehst deine Kleinlichkeiten (und die großen Verbrechen) als das, was sie sind: nichtig. Alles Leid der Welt um einen Wahn: nichtig und nichtswürdig. Die letzte Wahrheit, die jeder Mensch erfahren muß, ist: wir werden nackt geboren und wir verlassen diese Welt nackt. Alles dazwischen ist Eitelkeit, und das ist ein großes Übel unter der Sonne. Sela.

Zum Advent gehören in einer zünftigen Familie nicht nur Adventskalender und -kranz, Zimt- und Strohsterne, Bastelei, Hexenhaus und Nikolausüberraschung, sondern unbedingt auch einschlägige Gedichte, die üblichen Lieder und natürlich Blockflötenmusik. Süßer die Flöten nie klingen, als zu der Weihnachtszeit. Stimmt aber nicht, denn auf der ganzen Welt gibt es keine zwei Blockflöten, die gleich gestimmt wären. Obwohl die Folgen bekannt sind - Hektik, Zahnschmerz, verdrossene Mienen am Sonntagnachmittag - wird die Blockflötenmusik als angeblich feierliche Tradition gepflegt. Eines der ganz großen Mißverständnisse der Menschheit.

Wie angenehm dagegen das Singen weihnachtlicher Lieder, da hebt und senkt der Brustkorb sich gesundheitsförderlich im Ausströmen bekannter Melodien, und die Kinder lernen mal was anderes kennen als immer nur das bumm bumm bumm bumm bumm bumm bumm badabumm bumm bumm und so weiter. Und seien wir ehrlich: wenn wir eine so altertümlich anmutende Weise wie "Vom Himmel hoch, da komm ich her" erklingen lassen, heben sich Laune und Seele im Gleichklang und wir haben einen guten Humor.

Aber nicht mit Liedern wollen wir uns heute befassen, sondern mit Gedichten, mit mehr oder weniger feierlichen Versen, und da wir wenig Lust haben - haben wir doch nicht? - vorgefertigte Stanzen aus fremder Leute Hand auswendig zu lernen, basteln wir uns ein eigenes Gedicht (wer will, darf auch mehrere).

Ein Gedicht, wie geht das? Nun, am Anfang (oder vielmehr am Ende einer Zeile) ist der Reim. Zum Advent soll es passen, versuchen wir es doch einfach mal mit 'Krippe'. Darauf reimt sich Wippe, Lippe, Strippe, Kippe, Gerippe, Sippe. Was nun? Einfach anfangen:

Versammelt zu ehren die Krippe

Guter Rhythmus, groovt ein bißchen, also gleich weiter

steht unterm Christbaum die Sippe

Na also, jetzt sind wir drin, die Worte kommen fast von selbst:

der Vater löscht schnell die Kippe
der Bub riskiert eine Lippe

Zack, erste Strophe fertig. Gleich die nächste hinterher:

Schaukelpferd, Gamebox und Wippe
Konfekt und - makaber - Gerippe
es läutet, wer ist an der Strippe
der Neffe ruft an, Schaumburg-Lippe

Na bitte, da ist alles drin, was so einen Familienweihnachtsabend ausmacht, ohne daß wir uns in Sentimentalitäten hätten ergehen müssen. Ein wenig eintönig ist nur das ewige 'ippe - ippe'. Etwas Abwechslung muß her, und vielleicht sind die Verse im ersten Versuch auch ein bißchen kurzatmig geraten. Wie wäre dies:

Alljährlich liegt das Christkind in der Krippe
Ochs und Esel stehen müßig rum
Hirten, Schafe, Engel und die Sippe
die heiligen drei Könige, Brimborium

Das geht schon besser ab, und der freier gehandhabte Rhythmus tut der Sache gut. Wir müssen aber unbedingt noch einen Weihnachtshit einflechten:

O Tannebaum entfleucht ergriffnen Lippen
die Augen forschend aufs Geschenk fixiert
(oder entrückt gepolt auf Kerzenstippen)
bis dieses zum Entpacken expediert

Das mag angehen, trotz seiner Hochgestochenheit im zweiten Abschnitt. Entscheidend ist, daß in aufnahmebereiter Atmosphäre die richtigen Schlüsselreize angesprochen werden, um mit einem selbstgebastelten Gedicht einen vollen Erfolg zu landen. Wer achtet denn schon groß auf den genauen Sinn, wenn die Erwartung mit ein paar wohlgesetzten Klischees bedient wird. In diesem Sinne: viel Erfolg beim Dichten.

heißt gar nicht Birkenpilz, obwohl er unbedingt so heissen müßte; und jeder, der ihn (wie ich in den letzten Tagen) in der Nähe von Birken hat stehen sehen, wird mir sofort beipflichten, wenn ich sage: Birkenpilz. In seiner Jugend ist das mehr so ein angegrauter weißer Kolben auf kurzem Stiel, aber mit zunehmendem Alter trägt er Hut, und dessen Oberfläche sieht aus wie Birkenrinde. Also: Birkenpilz. Im Alter, sagt der Fachmann, zerfließt er tintenartig, was mir ein wenig eklig erscheint, Zerfall und Verwesung. Wegen des Zerfließens wird seine Sippe Tintling genannt, und dieser speziell Schopftintling. Das klingt doch wie eine schlechte Übersetzung. Ich sage: Birkenpilz.

Was ich mit dem Hinweis auf die Postkarten - jajaja, ich weiß, ich weiß, Silentium - was ich sagen wollte: wir brauchen ein geeignetes Bild, vorzugsweise etwas Weihnachtliches wie Christbaum oder Krippe.

Krippe



Abb. 1: Krippe



Der Vorteil der Postkarte - nein, ihr müßt keine Postkarte nehmen, wenn ihr nicht wollt, herrjeh! - ist, also der Vorteil liegt darin, daß sie aus leichtem Karton besteht. Wir schneiden uns ein gleichgroßes Stück weißen Papiers aus und markieren darauf unsere Türchen: wo sie sein sollen und wie groß, mit Numerierung selbstverständlich. Das ist die Schablone, damit Vorder- und Hinterseite später zueinanderpassen. Die Hinterseite ist die Kopie, die wir uns anfertigen (lassen). Soweit klar?

Weil wir eine Kopie verwenden, passen zwangsläufig die Bildausschnitte hinter den Türchen zum Gesamtbild. Auf beiden Teilen markieren wir uns jetzt unter Zuhilfenahme der Schablone die Türchen. Ganz wichtig: im Karton nur drei Seiten der Türchen schneiden, nicht etwa alle vier, sonst habt ihr Daueröffnungen und die Überraschung ist perdu.

Stichwort Überraschung. Was hinter den Türchen ist, bleibt eurer Kreativität überlassen; egal ob mit Buntstift, Tusche oder als eingeklebter Bildausschnitt ausgeführt; ob heiter, feierlich oder düster - es gilt nur die eine Regel, daß gelungen ist, was gefällt. Frisch auf, ans Werk.

Alle Türchen geritzt, alle Bildchen am richtigen Platz? Dann klebt ihr jetzt die Kopie mit der richtigen Seite hinter die Karte (oder was auch immer ihr nehmt, verdammt nochmal). Bitte beachten: kein Kleber an Stellen, wo Türchen sind. - Weshalb? Weil du Dösbaddel sonst durch das Türchen auf die Tapete guckst, falls du es überhaupt aufbekommst.

Tja, das war's. Der Advent kann kommen, den Kalender haben wir. Aber vielleicht darf's auch noch ein bißchen mehr sein? Bitte sehr, bitte gern, Dickis liebevolle Lebenshilfe (DiLL) hat noch ein paar Vorschläge auf Lager. Bis nächstens dann.

 

twoday.net AGB

xml version of this page

powered by Antville powered by Helma