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in welchem der Autor einer Boxerdame namens Bella über die Beschaffenheit seines am Wegesrande abgestellten Geräts zur Fortbewegung Auskunft gibt

Diese Strecke fahre ich nie wieder, niemals! Die erste halbe Stunde ging es auf vertrauten Wegen zu meinem lauschigen Rastplatz, und die Welt schien in Ordnung: über mir die Sonne, unter mir die Erde, wie es sich gehört. Dann war Schluß mit Vertrautheit und Lauschigkeit. Ein Ortskern nebst neugebauter Sparkasse, Premiumpizzeria und Obligatgriechen p l u s einer alten Fettbude namens "Döner-Haus" mußte durchfahren werden; jede Menge Gedöns und Straßenverkehr bis der Arzt kommt. Und es nahm kein Ende, Ortskern schien sich an Ortskern zu reihen, sodaß ich beim Überqueren der durch das Schild "Bremen" gekennzeichneten Landesgrenze mal keine Wehmut, sondern Erleichterung empfand.

Flugs suchte und fand ich einen Rastplatz im Grünen, wo ich im Schatten verweilte, Wasser trank und eine Selbstgedrehte rauchte. Während ich dabei auf und ab ging und gelegentlich meine Beine ausschüttelte, sagte plötzlich eine Altstimme hinter mir: "Komm mal hierher." Und, bevor ich mich angesprochen fühlen konnte: "Bella, komm jetzt her." und "Bella!" Eine sommerlich gekleidete Deix'sche Schrebergärtnerin führte ihren Boxer spazieren; ein Tier von ebenso behäbigem wie eigensinnigem und neugierigem Wesen. Nach einem Weilchen trotzigen Verharrens begann die Hündin mein Fahrrad zu umrunden, an Reifen, Felgen und Pedalen schnüffelnd. Freundlich sah ich ihr ins Gesicht, als sie mir mit krausgezogener Stirn einen fragenden Blick zuwarf, und sagte deutlich und akzentuiert: "Das ist ein Fahrrad." Der Deix-Figur entwich hörbar Atem, die Dame Bella schien mit der Antwort nicht recht zufrieden, folgte aber bald dem Ruf: "Komm jetzt Bella, wir wollen hier entlanggehen." Nun weiß auch Bella, daß man im Leben manchmal Antworten, die man nicht versteht, auf Fragen, die man nicht gestellt hat, bekommt. Bella ciao, Bella ciao, Bella ciao chow-chow ciao ciao.

War es das? Nein. Meiner harrte ein Schock, an derselben Stelle wie schon im Vorjahr, was ich natürlich schleunigst in die Verdrängung geschickt hatte. Ein Dach gedeckt mit m-o-o-s-g-r-ü-n-e-n l-a-c-k-i-e-r-t-e-n Ziegeln! Man sollte meinen, daß eine durch Feinstaub, Erdstrahlen und Aufklärung über die Gefahren des Nicht Rauchens sensibilisierte Menschheit hier eine Batterie Warnschilder aufstellte: "Der Anblick dieses Daches kann einen katatonischen Schock hervorrufen" und der Ortsamtsleiter höchstselbst den arglosen Passanten die für das Lesen der Spezialschilder nötigen 3-D-Brillen einhändigte. Aber von wegen! Die Menschheit ist so abgestumpft, wie es mein Brotmesser hoffentlich nie sein wird. Klinge meines Brotmessers, ich taufe dich auf den Namen Karin. Mögest du allzeit eine Handbreit Brot unter der Schneide haben.

In der Ortschaft, die mich durch die Ankündigung ihrer Summer Dream Party - also Sommer-Traumparty oder Sommertraum-Party, das ist noch immer nicht geklärt - für sich eingenommen hat, liegen Altertum und Moderne nah beieinander. Von der Stelle, wo ich gerne raste - an einem murmelnden, klingenden Bach in einem kleinen Forst - hat man freien Blick auf ein wassergetriebenes Schaufelrad, Teil einer alten Mühle (an der Straße ein Schild: "Ährensache"), und wenn man ein paar Schritte dem Bächlein folgt, stößt man auf ein knallgrünes Etwas, möglicherweise ein aufblasbares Gummitier ehedem, das mit Steinen beschwert am Grunde liegt; Fingerübung eines lokalen Künstlers wohl, der Tristo oder ähnlich heißen mag.

Was mich an einen Bremer Künstler erinnert, an den ich angesichts jeder Baustellenabsperrung denken muß, denn er pflegte seine Objekte - unbedarfte Menschen hätten dazu vielleicht "Baum" oder "Parkbank" gesagt - in rotweißes Absperrband zu wicklen; durchaus dynamische Kunstwerke, die im Auge des Betrachters nach einiger Zeit kontemplativen Schauens ein Flimmern hervorriefen. - Was mag aus ihm geworden sein, ob er nach New York gegangen ist, nachdem ihn Passanten schnöde für einen Bauarbeiter hielten?

Durch Filmbesprechungen auf Ihr gleichnamiges Buch aufmerksam geworden, habe ich mit der Lektüre von Oliver Twist begonnen und will Sie über das Mißbehagen nicht im Unklaren lassen, in das mich der Verfolg dieses Romans von der ersten Seite an ausgelöst hat. Um Ihnen aber Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, will ich anerkennen, daß in einer Zeit, da Autoren sich auf historische wie aktuelle Schauplätze (London, Venedig, Athen, Rom) spezialisiert haben, Sie nicht dafür zu schelten sind, daß Sie ihre Erzählungen in das London bzw. England zwischen 1840 und 1860 verlegt wurden, zumal der Sachkenntnis und Detailtreue Ihrer Schilderungen gewiß fleißige Recherche zu Boden liegt.

Aber wie Sie mit dem Knaben Oliver umspringen, das schlägt doch leibhaftig dem Faß die Krone ins Gesicht: einen Vater gestehen Sie ihm nicht zu, die Mutter rauben Sie ihm gleich nach der Geburt im Armenhaus, setzen ihn auf magere Kost und noch weniger, lassen den Kirchspieldiener immer wieder dessen Knotenstock an ihm erproben, geben ihn - noch keine zehn Jahre alt - einem Leichenbestatter in die Lehre und lassen das arme Kind obendrein in einem Sarg übernächtigen. Sie bringen es wohl gar noch fertig, der gepeinigten Seele einen Glimmstengel in den Hals zu stecken. Da ist es frelich kein Wunder, daß der Junge unter dem Eindruck der Grausamkeiten fortwährend weint und greint und ihm kaum je ein verständliches Wort entlockt werden will.

Herr Dickens! Entweder geloben Sie öffent- und feierlich, diese Mißhandlungen sofort einzustellen, oder ich verspreche Ihnen, nicht nur die Lektüre stante pede zu beenden, sondern obendrein Anzeige gegen Sie einzureichen wegen Kinderschändigung. Bitte sehr, Sie haben die Wahl, aber behaupten Sie nicht, Sie seien nicht gewarnt gewesen worden.

mit gar nicht so freundlichen Grüßen

Der wahre Dicki

Carmen war ja bald die Einzige im Büro, die sich die Spiele der Fußball-EM (European Soccer Contest?) angesehen hat; nur mit den Praktikanten konnte sie ein wenig fachsimpeln. Am Morgen nach dem Halbfinalsieg ihres Teams kam sie juchzend mit einer Spanienfahne zur Türe hereingestürzt. Die war voll drauf.

Gleich nach dem Finale hatte sie Urlaub, so daß ich mit Verspätung und nur per E-Mail gratulierte. Für Gestern hatten wir sie zurückerwartet, aber es erschien keine Carmen. Nanu? Heute rief sie mich an: nach dem Schlußpfiff sei sie jubelnd herumgesprungen und habe sich - das stehe nicht fest - entweder eine Zerrung oder einen Bänderriß zugezogen; gleichviel, sie habe das Bein geschient bekommen und laufe nun an Krücken herum.

"Du hast aber auch ein Pech!" sagte ich und dachte: wie isses nun bloß möglich. Nach der Fußball-WM 1966 erzählte meine Schwester, der Vater einer Mitschülerin habe während des Finales England gegen Deutschland vor Aufregung einen Herzanfall erlitten und sei stickum verröchelt. Auch wenn das nicht genau ihre Worte waren, mußte ich doch schrecklich lachen ("Das ist nicht lustig!"), denn es ist doch absurd, sich wegen eines Spieles derart zu echauffieren.

Spanien 1, Deutschland 0, Carmen -1. - Das war es nun endgültig mit der Berichterstattung von der EM 2008, freuen wir uns auf eine tönende und hoffentlich verletzungsfreie WM 2010.

Im Zeitalter der Telekommunikation - beinahe hätte ich geschrieben: im Zeitalter der Kindergeburtstage; also, nochmal von vorn.

Im Zeitalter der Telekommunikation ist man natürlich auch in den Dörfern auf der Höhe der Zeit. Halt! halt! halt! so geht das nicht, nochmal von vorn.

Im Zeitalter der Telekommunikation ist man natürlich auch in den ländlichen communities megamäßig up to date, wovon mich vorhin beim Biken im Environment ein Schild eingangs der Ortschaft X überzeugte, das für Anfang August eine Summer Dream Party ankündigte. Stelle ich mir vor, wie dort das Landvolk mit Bodybags hinpilgert, ab und zu in handliche Handys plappert und weltgewandt nichtraucht, bin ich total happy.

 

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