bietet crabapples an.
Dicki - am Mo, 18. Juli 2011, 20:53 - Rubrik: Musik und so weiter
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1973 liefen im Cinema Ostertor mehrere Musikfilme, und Joachim und ich haben sie uns angesehen: "Cream live at the Royal Albert Hall", "Emerson, Lake & Palmer in Concert", und selbstverständlich "Woodstock". Die Leute vom neuen Plattenladen "Ear" verteilten vor dem Kino Handzettel, auf denen das Dreifachalbum für einen Sonderpreis avisiert wurde (wovon Joachim Gebrauch machte; ich war mal wieder pleite). In den Wochen und Monaten darauf haben wir unsere Helden nachgemacht, haben geträllert, gestöhnt, gesungen, gecrooned, geschrien, geächzt und gepfiffen was die Lungen und Stimmbänder hergaben, haben über Grimassen und Gestik geredet und gelacht, und hörten außerdem wie die Besessenen Slade und Roxy Music, vielleicht noch Stevie Wonder. Was ich aber verdrängt hatte, war die Tristesse, die den Auftritt Jimi Hendrix' in dem Woodstock-Film umgab.
Gestern, endlich im Besitz einer Kopie ("Director's Cut", 3:44 h), sagte ich mir, wenn der Nachmittag verregnet sein sollte, sehe ich mir das Spektakel noch einmal an. Der Regen blieb aus ("no rain! no rain! no rain!"), es wurde Abend, ich hatte Lust auf den Film, und los ging's. Im Unterschied zur früheren Fassung waren Jefferson Airplane mit der großen Grace Slick zu sehen und hören (Grace nur als Begleitstimme bzw. Zuhörerin - Brothers wurde wie immer groß, Sisters kleingeschrieben, außer bei Joan Baez und der kreischenden Janis Joplin), und es gab mehr Jimi Hendrix, was mich freute, denn er hat pausenlos gespielt, von einem Song in den nächsten hinüberimprovisiert, sehr beeindruckend. Virtuosität sagt mir nichts, wenn sie die Musik benutzt, statt sich ihr unterzuordnen; "Voodoo Chile" (unter anderem) ist ein schönes Gegenbeispiel.
Ich sah also diesen Auftritt, den Abschluß des Festivals, statt der Zigtausend vor der Bühne maximal Zehntausend ausgeharrt habende Enthusiasten, im Hintergrund Schlamm und Müll; zunächst Voodoo Chile, überleitend in Star Spangled Banner, dazu dann die Bilder des verlassenen Geländes, Bilder vom Einsammeln des Mülls (Essensreste, Stoffetzen, Pappen, Verpackungen), ein Mann mit Krücken und sein Kumpel, in dem Unrat Melonenviertel essend, eine humpelde Frau mit bandagiertem Fuß, auf einen Helfer gestützt; Hendrix improvisiert, Müll, Müll, Müll und verlassenens Gelände: und der so müde aussehende Gitarrenheld; müde nicht nur von einer kurzen Nacht; die ganze Tristesse der Szene stürzte auf mich ein, der Spaß ist vorbei, die Revolution ist vorbei, bevor sie begonnen hat; wir machen Atemübungen, baden nackt, kiffen und drücken, wir sind - im Gegensatz zum offiziellen Amerika - die spirituelle Creme und erteilen der Welt eine Lektion: und bald wird sie genauso fucked up sein wie wir, nur daß weder wir noch sie es zu diesem Zeitpunkt wissen. Der Film ist am Ende ungewollt prophetisch.
Das hatte ich damals gespürt, unbewußt, und natürlich sofort verdrängt, das war zu heftig. Vergessen konnte ich es nicht, jetzt ist es alles wieder präsent, da weder Naivität noch Unsicherheit mich zum Zwangsoptimismus drängen können, von dem "3 Days of Peace und Music" so programmatisch erfüllt ist - bis zum geschilderten Ende.
When the music's over - turn out the light.
Gestern, endlich im Besitz einer Kopie ("Director's Cut", 3:44 h), sagte ich mir, wenn der Nachmittag verregnet sein sollte, sehe ich mir das Spektakel noch einmal an. Der Regen blieb aus ("no rain! no rain! no rain!"), es wurde Abend, ich hatte Lust auf den Film, und los ging's. Im Unterschied zur früheren Fassung waren Jefferson Airplane mit der großen Grace Slick zu sehen und hören (Grace nur als Begleitstimme bzw. Zuhörerin - Brothers wurde wie immer groß, Sisters kleingeschrieben, außer bei Joan Baez und der kreischenden Janis Joplin), und es gab mehr Jimi Hendrix, was mich freute, denn er hat pausenlos gespielt, von einem Song in den nächsten hinüberimprovisiert, sehr beeindruckend. Virtuosität sagt mir nichts, wenn sie die Musik benutzt, statt sich ihr unterzuordnen; "Voodoo Chile" (unter anderem) ist ein schönes Gegenbeispiel.
Ich sah also diesen Auftritt, den Abschluß des Festivals, statt der Zigtausend vor der Bühne maximal Zehntausend ausgeharrt habende Enthusiasten, im Hintergrund Schlamm und Müll; zunächst Voodoo Chile, überleitend in Star Spangled Banner, dazu dann die Bilder des verlassenen Geländes, Bilder vom Einsammeln des Mülls (Essensreste, Stoffetzen, Pappen, Verpackungen), ein Mann mit Krücken und sein Kumpel, in dem Unrat Melonenviertel essend, eine humpelde Frau mit bandagiertem Fuß, auf einen Helfer gestützt; Hendrix improvisiert, Müll, Müll, Müll und verlassenens Gelände: und der so müde aussehende Gitarrenheld; müde nicht nur von einer kurzen Nacht; die ganze Tristesse der Szene stürzte auf mich ein, der Spaß ist vorbei, die Revolution ist vorbei, bevor sie begonnen hat; wir machen Atemübungen, baden nackt, kiffen und drücken, wir sind - im Gegensatz zum offiziellen Amerika - die spirituelle Creme und erteilen der Welt eine Lektion: und bald wird sie genauso fucked up sein wie wir, nur daß weder wir noch sie es zu diesem Zeitpunkt wissen. Der Film ist am Ende ungewollt prophetisch.
Das hatte ich damals gespürt, unbewußt, und natürlich sofort verdrängt, das war zu heftig. Vergessen konnte ich es nicht, jetzt ist es alles wieder präsent, da weder Naivität noch Unsicherheit mich zum Zwangsoptimismus drängen können, von dem "3 Days of Peace und Music" so programmatisch erfüllt ist - bis zum geschilderten Ende.
When the music's over - turn out the light.
Dicki - am Mo, 18. Juli 2011, 0:55 - Rubrik: Musik und so weiter
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Mehr und mehr Doktorwürden wird durch begründete Plagiatsvorwürfe die Doktorwürde abgesprochen; eine erfreuliche Entwicklung, die unsere volle Unterstützung hat. Doch sollten wir uns nicht dem Wunschglauben überlassen, die Welt sei nun wieder in Ordnung. Nein! denn sie wimmelt von Plagiaten, und die FDP scheint gar die Brutstätte des Bösen zu sein. Schon wird über den Parteinamen spekuliert: "frech-dumme Plagiate", weil selbst sonst unkritischen Zeitgenossen, denen man eine Mietaktrice als Sozialschlampe vorsetzen kann, die nachgemachte Asiatenphysiognomie eines Dr. Rösler auffällt. Oder Herr Schatzi-Makakis, sieht der wie ein Grieche aus? Cornelia Pieper vice versa; sieht sie auf ihrer Homepage etwa so aus, wie wir sie aus der Wirklichkeit kennen, diese cruise missile der FDP? Nicht die Spur: plagiierte Sympathieträgerin. Und so weiter und so fort. Wer weiß, ob sich die FDP nicht letztlich noch als Gesamtplagiat entpuppt!
Sicher, vielleicht ist das Schwarzseherei, vielleicht überzeichne ich ein Bild, das mir im ersten Entsetzen besonders dunkel erscheint. Sei dem nun so oder auch nicht, wir wollen nicht vergessen, was schon Konfuzius seinen Schülern mit auf den Weg gab: Willst du ehrlichen Menschen begegnen, so meide Leute, deren Lebensinhalt Politik ist. Oder in den Worten Karl Ottomanes: Habm alle ihre Lebensliege.
Sicher, vielleicht ist das Schwarzseherei, vielleicht überzeichne ich ein Bild, das mir im ersten Entsetzen besonders dunkel erscheint. Sei dem nun so oder auch nicht, wir wollen nicht vergessen, was schon Konfuzius seinen Schülern mit auf den Weg gab: Willst du ehrlichen Menschen begegnen, so meide Leute, deren Lebensinhalt Politik ist. Oder in den Worten Karl Ottomanes: Habm alle ihre Lebensliege.
Dicki - am Mi, 13. Juli 2011, 15:40 - Rubrik: zickezacke
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Auf dem Lande ist manches anders als in der Stadt, aber doch ähnlich; das Licht, die Geräusche, die Gerüche. So überholte ich heute in der Bahnhofsunterführung einer stadtnahen Ortschaft einen degenerierten alten Herrn, der ballernd furzte. Dem Nebel des Grauens entronnen passierte ich einen Friseur "Picasso", von dem ich mir in seiner kubistischen Phase gewiß nicht die Haare schneiden lassen wollte, wenn überhaupt. Meine Nerven beruhigten sich erst wieder, als ich das "Döner-Haus" (lecker!) erblickte: das gibt es auch in der Stadt, obwohl es dort professioneller heißt. Kurzum, soweit das Land verstädtert ist, sollte man es meiden, ansonsten ist es ganz erholsam, vorausgesetzt, man hat keine Naturallergie.
Zu den Gefahren, das sollte ich noch erwähnen, gehören Gänsefamilien, die laut quackelnd zum ersten Mal gemeinsam abheben: ich sah ihnen begeistert nach und hätte um Haaresbreite einen entgegenkommenden Radfahrer gerammt, der mir etwas nachrief, das wie "Arschloch" klang, was ich gar nicht entgegenkommend fand, aber ich hatte mich bestimmt verhört. Außerdem begegnet man Spatzensippen, die anders als in der Stadt, nicht an zehn Fingern abzuzählen sind, sondern einen 50köpfigen Schwarm bilden, dem unbedingt auszuweichen ist, weil man sonst steckenbleibt. Denn auf dem Land sind die Tiere in der Überzahl und der Mensch muß sich bescheiden.
Zu den Gefahren, das sollte ich noch erwähnen, gehören Gänsefamilien, die laut quackelnd zum ersten Mal gemeinsam abheben: ich sah ihnen begeistert nach und hätte um Haaresbreite einen entgegenkommenden Radfahrer gerammt, der mir etwas nachrief, das wie "Arschloch" klang, was ich gar nicht entgegenkommend fand, aber ich hatte mich bestimmt verhört. Außerdem begegnet man Spatzensippen, die anders als in der Stadt, nicht an zehn Fingern abzuzählen sind, sondern einen 50köpfigen Schwarm bilden, dem unbedingt auszuweichen ist, weil man sonst steckenbleibt. Denn auf dem Land sind die Tiere in der Überzahl und der Mensch muß sich bescheiden.
Dicki - am Di, 12. Juli 2011, 2:37 - Rubrik: zickezacke
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An der Piepe, Überbleibsel der früheren Stadtbefestigung, siedelt seit vorigem Jahr ein Paar Wildgänse und zieht seine Jungen groß, bzw. Jungen und Mädels, um korrekt zu sein, obwohl das bestimmt auch nicht korrekt ist, aber da kenn sich heute noch Jemand_in aus. Wie dem auch sei, Ende April hatte ich die Familie gesichtet, die Gänschen mit grotesk langem Hals und überlangen Beinchen im Verhältnis zum Körper, und noch im Flaum; inzwischen sind sie beinahe volljährig, aber ich hatte die Familie seit zwei Wochen nicht mehr an der Piepe gesehen. Dagegen waren mir an der kleinen Weser und am Werdersee mehrere Familien Wildgänse aufgefallen, die im vergangenen Jahr noch nicht da waren, und ich vermutete "meine" Sippe darunter.
Gestern jedoch sichtete ich sie wieder auf der Piepe dümpelnd, und einer der Elternvögel hob sich vom Wasser, um fünzig Meter weiter mit Bugwelle zu landen, was ich mehr nebenbei registrierte. Aber dann: zwei Blesshühner stürzten auf die Gans zu und trieben sie unter Gekreisch und Flügelschlagen bald hier-, bald dorthin, bis eine zufriedenstellende Distanz erreicht war. Nun entdeckte ich, was mir vorher entgangen war; auf dem Wasser paddelte ein halbes Dutzend schwarzer Flausche, und die Eltern hatten instinktiv auf die Nähe der um ein mehrfaches größeren Gans reagiert, obwohl von der doch gar keine Gefahr ausging. Naja, sicher ist sicher. Das hätten die Gänse umgekehrt auch nicht anders gemacht.
Den Menschen ist derselbe Instinkt zueigen; sie schlagen sich für ihre Kinder, wenn es sein muß. Sie sind heutzutage aber auch feige und schlagen sich für ihre Kinder in Angelegenheiten, die nur sie selbst und bloß angeblich ihre Kinder betreffen. Deshalb liebe ich die Tiere. Mögen sie in ihrer Wahrnehmung auch beschränkt erscheinen, sie sind immer ehrlich, sie können gar nicht anders. Den Leuten gilt das als dumm, aber auf was fallen die alles herein.
Gestern jedoch sichtete ich sie wieder auf der Piepe dümpelnd, und einer der Elternvögel hob sich vom Wasser, um fünzig Meter weiter mit Bugwelle zu landen, was ich mehr nebenbei registrierte. Aber dann: zwei Blesshühner stürzten auf die Gans zu und trieben sie unter Gekreisch und Flügelschlagen bald hier-, bald dorthin, bis eine zufriedenstellende Distanz erreicht war. Nun entdeckte ich, was mir vorher entgangen war; auf dem Wasser paddelte ein halbes Dutzend schwarzer Flausche, und die Eltern hatten instinktiv auf die Nähe der um ein mehrfaches größeren Gans reagiert, obwohl von der doch gar keine Gefahr ausging. Naja, sicher ist sicher. Das hätten die Gänse umgekehrt auch nicht anders gemacht.
Den Menschen ist derselbe Instinkt zueigen; sie schlagen sich für ihre Kinder, wenn es sein muß. Sie sind heutzutage aber auch feige und schlagen sich für ihre Kinder in Angelegenheiten, die nur sie selbst und bloß angeblich ihre Kinder betreffen. Deshalb liebe ich die Tiere. Mögen sie in ihrer Wahrnehmung auch beschränkt erscheinen, sie sind immer ehrlich, sie können gar nicht anders. Den Leuten gilt das als dumm, aber auf was fallen die alles herein.
Dicki - am So, 10. Juli 2011, 3:32 - Rubrik: meine Tiere
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In meinem erfreulich umfangreichen Bildband über M. C. Escher steht u.a. ein Aufsatz mit dem Titel "Das Betroffenwerden durch die Struktur", von einem Autor, der wirklich von Eschers Graphik begeistert wurde, und das zu einer Zeit, als Escher noch längst nicht en vogue war. Über mehrere Seiten erläutert er technisch-kopfig, was er mit dieser Überschrift meint, die mir dennoch rätselhaft bleibt, ebenso wie der Schlußsatz: "Am wichtigsten ist dabei für Viele, daß sie bewußt oder unbewußt von der Struktur betroffen werden."
Gerne will ich glauben, daß der Verfasser sich bewußt von der Struktur betroffen zu fühlen wähnt, und rechne mich zu jenen Wenigen, die allenfalls unbewußt betroffen werden, oder weshalb muß ich dauernd an Strukturtapete denken? Mir sind jedenfalls Erstaunen, Freude und Ergriffenheit bei Kunstwerken vertrauter - bewußt und unbewußt - als diese schwammige Betroffenheit.
Vor 15 Jahren gelang mir ein hübsches Foto: unter spiegelnder, von kreisförmig sich ausbreitenden Wellen gekräuselter Oberfläche, schwammen ein paar kleine Fische; wenn man so will eine Variation von Eschers "Drei Welten". Eine Bekannte sah auf den ersten Blick etwas Anderes und fragte, ob das Sowieso-Ringe seien, irgendein technisches Zeug, das sie vermutlich auch nur halb verstanden hatte.
Ohne mir etwas dabei zu denken, erklärte ich ihr die Entstehung; wie ich auf einer kleinen Brücke stehend und eine Birne essend, die Kamera auf die Wasseroberfläche fokussiert hätte, und, um die Fische heranzulocken, ein Stückchen Birne ins Wasser hätte fallen lassen - und klick, ohne an Kunst zu denken; ein Experiment, ein glücklicher Schnappschuß. Damals dachte ich, daß sie eine Menge über Fotografie wisse, heute vermute ich, daß sie von der Struktur betroffen war.
Gerne will ich glauben, daß der Verfasser sich bewußt von der Struktur betroffen zu fühlen wähnt, und rechne mich zu jenen Wenigen, die allenfalls unbewußt betroffen werden, oder weshalb muß ich dauernd an Strukturtapete denken? Mir sind jedenfalls Erstaunen, Freude und Ergriffenheit bei Kunstwerken vertrauter - bewußt und unbewußt - als diese schwammige Betroffenheit.
Vor 15 Jahren gelang mir ein hübsches Foto: unter spiegelnder, von kreisförmig sich ausbreitenden Wellen gekräuselter Oberfläche, schwammen ein paar kleine Fische; wenn man so will eine Variation von Eschers "Drei Welten". Eine Bekannte sah auf den ersten Blick etwas Anderes und fragte, ob das Sowieso-Ringe seien, irgendein technisches Zeug, das sie vermutlich auch nur halb verstanden hatte.
Ohne mir etwas dabei zu denken, erklärte ich ihr die Entstehung; wie ich auf einer kleinen Brücke stehend und eine Birne essend, die Kamera auf die Wasseroberfläche fokussiert hätte, und, um die Fische heranzulocken, ein Stückchen Birne ins Wasser hätte fallen lassen - und klick, ohne an Kunst zu denken; ein Experiment, ein glücklicher Schnappschuß. Damals dachte ich, daß sie eine Menge über Fotografie wisse, heute vermute ich, daß sie von der Struktur betroffen war.
Dicki - am Fr, 08. Juli 2011, 16:46 - Rubrik: zickezacke