- meine Amsterdamer Großmutter - war ein heiterer Mensch, was vielleicht mit ihrer Liebe zur Musik zusammenhing. Ein knappes Jahr Klavierunterricht schuf die Grundlage, auf der sie dann selbständig voranschritt. Sie lernte schnell (nicht nur Klavier) und arbeitete bei einem Klavierhändler als Verkäuferin, bevor sie ihren Mann heiratete und in seinem neugegründeten Geschäft ("Electriciteitsbureau") mithalf. Den Kunden wurden elektrische Installationen und Geräte gezeigt, und bei einer dieser Gelegenheiten verkaufte sie die Deckenlampe des Wohnzimmers. Die hatte dem Kunden gefallen
Großmutter war eines von 12 Kindern (das erste Mädchen nach fünf Jungen) und wurde von den älteren Brüdern gerne mitgenommen, denn sie hat niemanden und nichts verraten. Der Vater hatte eine Schmiede, er und seine Frau standen politisch den Kommunisten nahe und Großmutters Muddi - inzwischen verwitwet - half politischen Flüchtlingen aus Deutschland nach der Machtübernahme der Nazis. Großmutters Schwester Mien, die in der Heilsarmee tätig war, erlebte die Bombardierung von Rotterdam mit, verließ die Heilsarmee und wurde Kommunistin. Soviel ich weiß, blieb sie dabei und glaubte (unterstelle ich) mit religiösem Eifer, daß in der UdSSR alles besser sei. Großmutter war politisches Engagement suspekt, sie hatte andere Interessen. Muddi erzählt: "Meine Eltern saßen abends im Wohnzimmer, er mit Geschäftspapieren, sie mit einem Buch. Immer hat sie gelesen."
Großmutters Töchter heirateten in den 40er Jahren; die ältere während des Krieges, Muddi 1946. Anfang der 50er kamen die Großeltern zum ersten Mal zu Besuch nach Bremen. Muddi: "Die beiden Männer haben eine Runde durch die Stadt gemacht und Mutter ist spazierengegangen. Nachher sagte sie, daß sie sich auf einer Parkbank wunderbar mit einem völlig fremden Menschen unterhalten habe. Wie sie das gemacht hat, ist mir ein Rätsel: die konnte doch kaum deutsch!"
Großmutter war durchaus auch streng. Ewig lockte mich die Obstschale auf dem Buffet, aber - "dat mag niet!" - erst fragen, und dann auch nur einmal am Tag einen Apfel, eine Orange, einen Pfirsich oder Weintrauben, je nach Jahreszeit. (War ich ausnahmsweise allein in der großelterlichen Wohnung, setzte ich mich ans Klavier und probierte ein paar Tasten aus. Ansonsten blieb das Klavier - "dat mag niet!" - tabu.) Zu den Mahlzeiten gabs dann Leckereien vom "Olieboer", Schokoladen- oder Vanillepudding aus der Flasche, zum Kaffee (Milch für mich) diese wahnhaft süßen Löffelbiskuits, aber immer nur zwei. Launen mochte sie nicht: Kinder hatten sich zu betragen, punktum. Dann holte sie auch mal ein altes Würfelspiel hervor und spielte geduldig mit.
Großmutter war schon über 80, ein bißchen klapprig und wackelte häufig mit dem Kopf, als wir sie zum letzten Mal besuchten, 1971 oder '72. Sie bestand darauf, für uns alle zu kochen. Muddi half ein bißchen mit und kam dann ins Wohnzimmer: "Mutter ist so niedlich. Sie steht da am Herd und sagt Gedichte aus ihrer Schulzeit auf." Ihr Gedächtnis ließ nach, wie oft bei alten Menschen, aber die alten Gedichte hatte sie vollständig parat. - Großmutter war ein heiterer Mensch. Muddi: "Sie hat mal gesagt, es mache ihr nichts aus alt zu werden, aber daß sie nicht mehr Schlittschuhlaufen könne, das finde sie schlimm."
Großmutter war eines von 12 Kindern (das erste Mädchen nach fünf Jungen) und wurde von den älteren Brüdern gerne mitgenommen, denn sie hat niemanden und nichts verraten. Der Vater hatte eine Schmiede, er und seine Frau standen politisch den Kommunisten nahe und Großmutters Muddi - inzwischen verwitwet - half politischen Flüchtlingen aus Deutschland nach der Machtübernahme der Nazis. Großmutters Schwester Mien, die in der Heilsarmee tätig war, erlebte die Bombardierung von Rotterdam mit, verließ die Heilsarmee und wurde Kommunistin. Soviel ich weiß, blieb sie dabei und glaubte (unterstelle ich) mit religiösem Eifer, daß in der UdSSR alles besser sei. Großmutter war politisches Engagement suspekt, sie hatte andere Interessen. Muddi erzählt: "Meine Eltern saßen abends im Wohnzimmer, er mit Geschäftspapieren, sie mit einem Buch. Immer hat sie gelesen."
Großmutters Töchter heirateten in den 40er Jahren; die ältere während des Krieges, Muddi 1946. Anfang der 50er kamen die Großeltern zum ersten Mal zu Besuch nach Bremen. Muddi: "Die beiden Männer haben eine Runde durch die Stadt gemacht und Mutter ist spazierengegangen. Nachher sagte sie, daß sie sich auf einer Parkbank wunderbar mit einem völlig fremden Menschen unterhalten habe. Wie sie das gemacht hat, ist mir ein Rätsel: die konnte doch kaum deutsch!"
Großmutter war durchaus auch streng. Ewig lockte mich die Obstschale auf dem Buffet, aber - "dat mag niet!" - erst fragen, und dann auch nur einmal am Tag einen Apfel, eine Orange, einen Pfirsich oder Weintrauben, je nach Jahreszeit. (War ich ausnahmsweise allein in der großelterlichen Wohnung, setzte ich mich ans Klavier und probierte ein paar Tasten aus. Ansonsten blieb das Klavier - "dat mag niet!" - tabu.) Zu den Mahlzeiten gabs dann Leckereien vom "Olieboer", Schokoladen- oder Vanillepudding aus der Flasche, zum Kaffee (Milch für mich) diese wahnhaft süßen Löffelbiskuits, aber immer nur zwei. Launen mochte sie nicht: Kinder hatten sich zu betragen, punktum. Dann holte sie auch mal ein altes Würfelspiel hervor und spielte geduldig mit.
Großmutter war schon über 80, ein bißchen klapprig und wackelte häufig mit dem Kopf, als wir sie zum letzten Mal besuchten, 1971 oder '72. Sie bestand darauf, für uns alle zu kochen. Muddi half ein bißchen mit und kam dann ins Wohnzimmer: "Mutter ist so niedlich. Sie steht da am Herd und sagt Gedichte aus ihrer Schulzeit auf." Ihr Gedächtnis ließ nach, wie oft bei alten Menschen, aber die alten Gedichte hatte sie vollständig parat. - Großmutter war ein heiterer Mensch. Muddi: "Sie hat mal gesagt, es mache ihr nichts aus alt zu werden, aber daß sie nicht mehr Schlittschuhlaufen könne, das finde sie schlimm."
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Daß jemand, der zugleich ein ebenso guter Glaser wie Feinmechaniker sein kann, wohl ein Ausnahmetalent sein müsse, wird jedem einleuchten. Erlernen läßt sich vieles, aber nur das Talent kann es zur Meisterschaft bringen. Gern will ich zustimmen, daß die meisten Menschen irgendein Talent haben, sei es ein großes oder kleines, doch wie selten ist eine umfassende Begabung. Auch in der Kunst lassen sich viele Techniken durch Übung erwerben, doch kann nur die Begabung zur Meisterschaft ausgebildet werden. Und wieviele Menschen haben eine künstlerische Begabung, die über Singen, das Spielen eines Instruments, Verseschmieden, Zeichnen und einfache Grafik sowie schauspielerisches Talent hinausgeht?
Die Linke verharrt aber in Ansichten, wie sie Franz Mehring 1910 in Deutsche Geschichte vom Ausgange des Mittelalters formulierte: "Allein, nichts ist törichter als die Einbildung, daß, wenn die herrschenden Klassen fallen, auch die Kunst fallen wird. Sie wird dann freilich fallen, aber nicht als Kunst, sondern als Vorrecht; sie wird eine verkrüppelte Hülle abwerfen, um erst zu werden, was sie ihrem Wesen nach sein soll: ein ursprüngliches Vermögen der Menschheit." Sicher wird das Vorrecht der - nun gut - herrschenden Klassen auf Kunst fallen und Begabte aus allen Schichten werden ihr Talent entfalten können (eine am Ideal und nicht an der Ideologie orientierte Kulturpolitik vorausgesetzt, siehe sozialistischer Realismus, au wei au wei), aber Kunst bleibt immer das Vorrecht der zur Kunst Berufenen; wer Kunst nur will, wird allenfalls Technik können. Es ist nun einmal nicht jeder Mensch ein Künstler, ebensowenig wie Glaser oder Feinmechaniker.
Bezeichnenderweise läßt sich Mehring nur über die deutschen Schriftsteller aus (die er an ihrem Beitrag zum Klassenkampf mißt und nicht an ihrer künstlerischen Leistung) und weiß über Komponisten gar nichts zu sagen. Wie nun, war Bach ein Revolutionär; oder Beethoven; oder Mozart? Die populäre Musik (beginnend bei Blues und Jazz) hat allen Schichten den Zugang zur Kunst ermöglicht (und einige Künstler aus unterschiedlichsten Schichten hervorgebracht), das Zeitalter des Narzißmus aber bringt Superstars en masse hervor, deren künstlerischer Wert gegen Null tendiert. Da bin ich ganz herrschende Klasse und sage: Kunst ist nicht Klassenkampf, sondern steht über allem Tagesgeschehen, auch wenn es dieses aufgreift. Und ich bin noch mehr herrschende Klasse indem ich sage, daß der Pöbel nach Berühmtheit streben mag, der Künstler aber (unabhängig von seiner Herkunft) nach Vollkommenheit: ob ihn die Klassen verstehen oder nicht.
Die Linke verharrt aber in Ansichten, wie sie Franz Mehring 1910 in Deutsche Geschichte vom Ausgange des Mittelalters formulierte: "Allein, nichts ist törichter als die Einbildung, daß, wenn die herrschenden Klassen fallen, auch die Kunst fallen wird. Sie wird dann freilich fallen, aber nicht als Kunst, sondern als Vorrecht; sie wird eine verkrüppelte Hülle abwerfen, um erst zu werden, was sie ihrem Wesen nach sein soll: ein ursprüngliches Vermögen der Menschheit." Sicher wird das Vorrecht der - nun gut - herrschenden Klassen auf Kunst fallen und Begabte aus allen Schichten werden ihr Talent entfalten können (eine am Ideal und nicht an der Ideologie orientierte Kulturpolitik vorausgesetzt, siehe sozialistischer Realismus, au wei au wei), aber Kunst bleibt immer das Vorrecht der zur Kunst Berufenen; wer Kunst nur will, wird allenfalls Technik können. Es ist nun einmal nicht jeder Mensch ein Künstler, ebensowenig wie Glaser oder Feinmechaniker.
Bezeichnenderweise läßt sich Mehring nur über die deutschen Schriftsteller aus (die er an ihrem Beitrag zum Klassenkampf mißt und nicht an ihrer künstlerischen Leistung) und weiß über Komponisten gar nichts zu sagen. Wie nun, war Bach ein Revolutionär; oder Beethoven; oder Mozart? Die populäre Musik (beginnend bei Blues und Jazz) hat allen Schichten den Zugang zur Kunst ermöglicht (und einige Künstler aus unterschiedlichsten Schichten hervorgebracht), das Zeitalter des Narzißmus aber bringt Superstars en masse hervor, deren künstlerischer Wert gegen Null tendiert. Da bin ich ganz herrschende Klasse und sage: Kunst ist nicht Klassenkampf, sondern steht über allem Tagesgeschehen, auch wenn es dieses aufgreift. Und ich bin noch mehr herrschende Klasse indem ich sage, daß der Pöbel nach Berühmtheit streben mag, der Künstler aber (unabhängig von seiner Herkunft) nach Vollkommenheit: ob ihn die Klassen verstehen oder nicht.
Dicki - am Mi, 27. Dezember 2006, 23:04 - Rubrik: Musik und so weiter
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hieß es Ende der 60er Jahre auf großflächigen Werbeplakaten der Deutschen Bundesbahn. 'Wir nicht!' stand dann unter einem durch Wind und Wetter brausenden, E-Lok-getriebenen Zug. Heute reden auch alle vom Wetter, doch was ist bitteschön mit dem Klima?
Ende September säte sich in einem meiner Balkonkästen eine Kornblume ein, wuchs und gedieh, Anfang Dezember wagte sich eine Blüte hervor. Jetzt trägt das Gewächs drei Knospen, aus denen die blauen Spitzen der Blütenblätter naseweis hervorlugen. Vielleicht gehen die Knospen morgen auf? Und die Kornblume wird in Zukunft die typische Weihnachtspflanze sein? Ach was, reden wir nicht darüber. Wir brauchen mehr Wachstum, und da soll uns auch eine wachsende Kornblume recht sein. Frohes Fest!
Ende September säte sich in einem meiner Balkonkästen eine Kornblume ein, wuchs und gedieh, Anfang Dezember wagte sich eine Blüte hervor. Jetzt trägt das Gewächs drei Knospen, aus denen die blauen Spitzen der Blütenblätter naseweis hervorlugen. Vielleicht gehen die Knospen morgen auf? Und die Kornblume wird in Zukunft die typische Weihnachtspflanze sein? Ach was, reden wir nicht darüber. Wir brauchen mehr Wachstum, und da soll uns auch eine wachsende Kornblume recht sein. Frohes Fest!
Dicki - am Sa, 23. Dezember 2006, 22:22 - Rubrik: in eigener Sache
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seien wir, dachte wohl der freundliche Herr bei der BAgIS, der mir weiterhin Gelder zukommen lassen und zu diesem Zweck mein - karges - Gehalt mit dem Leistungsanspruch verrechnen wollte, obwohl ich, seiner Kollegin Aug' in Aug' gegenübersitzend, unlängst ganz eindeutig meinen Willen zur Abmeldung kungetan hatte (diese freundlich Grundeinstellung hielt ihn leider nicht davon ab, mir einen in dem heute den "Kunden" gegenüber gängigen ungezogenen Ton gehaltenen Brief zu schicken). Am Telefon konnte er gar nicht glauben, daß ich keine Leistungen (wie man im Jargon sagt) der BAgIS mehr in Anspruch nehmen will. "Sie sollten das erst durchrechnen lassen" und "Lassen Sie es besser erst prüfen" - Nein! Ich bin froh, mal wenigstens ein halbes Jahr lang Ruhe vor euch zu haben. Das sagte ich natürlich nicht in diesen Worten, wer weiß, sonst würden wir noch Feinde für's Leben.
Dicki - am Do, 14. Dezember 2006, 21:19 - Rubrik: in eigener Sache
Herr Bartels - nicht der sprichwörtliche Bartels mit dem Most, sondern dieser Spezialdemokrat - ist zu der Ansicht gelangt, daß die Politikverdrossenheit im Volke aus mangelnder politischer Bildung herrührt, und deshalb möchte er gerne ein Institut gründen, dessen Aufgabe die Unterrichtung dieses unbotmäßigen Volkes über die Segnungen - nein, nicht d e r Demokratie an sich, sondern - des hierzulande herrschenden Regimes sein soll. Augfgrund gewisser Erfahrungen vermute ich, daß der Idealist Bartels bereits seinen 'Vettern' einen idealen Posten in dem zu gründenden Institut versprochen hat. Sicher kann man da aber nie sein, es mag ja auch die schiere Dummheit aus ihm sprechen.
Dicki - am Mo, 11. Dezember 2006, 22:09 - Rubrik: deutsche kenneweiss