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Heute nacht träumte mir von Charlotte Roche, die mir einen Adventskranz flocht. Das fand ich ausgesprochen nett von ihr, und sie war auch sehr freundlich. Aber als sie statt der Kerzen Dildos aufsteckte, an denen zudem noch die Preisschilder baumelten, schlug die Stunde der Wahrheit. "Du bist doch einen elende Geschäftsfeucht, Charlotte," sagte ich (in meinen Träumen wird oft, aber nicht immer, geduzt). "Das ist der neue Feminismus," sie, triumphierend. - "Und was ist mit deinen Schwestern?" - "Was für Schwestern, ich habe keine Geschwister." - "Das ist der neue Feminismus," sagte ich. Mittlerweile hatte das Unterbewußtsein die Kulissen verschoben, und statt in meinem Wohnzimmer saß ich nun vor einer kleinen Bühne, auf der soeben ein Crescendo auf einem Becken geschlagen wurde. Im selben Moment war ich wach und hörte von draußen das Jaulen eines Trennschleifers. Becken, von wegen.

P.S.: Auch durch langes Nachdenken bin ich nicht darauf gekommen, welcher Metaphorik Becken und Trennschleifer folgen. Meine Träume bleiben ein ungelöstes Rätsel der Menschheit.

Die Kamera schwenkt über den Domshof. Einige hundert Menschen, mit Transparenten, Sprechblasen und anderem Gerät, scharen sich um ein kleines Podium, von dem herunter gesprochen wird. Schnitt auf ein Gesicht in der Menge, ein nicht mehr ganz junger Mann, graue Schläfen, ausgehendes Haar.

Fragestellerin: Wir sind von Radio Bremen und wollen ein paar Stimmen aus dem Volke sammeln, sozusagen. Sie nehmen an der Aktion teil?
Dicki: Oh ja.
Fragestellerin: Aus welchem Grund, was hat Sie hierhergeführt?
Dicki: Ich will die Frau meiner Träume finden.
Fragestellerin: Was?
Dicki: Ich will die Frau meiner Träume finden, deshalb bin ich hier.
Fragestellerin: Äh.
Dicki: Sehen Sie. (Zeigt auf einen Punkt schräg hinter der Kamera) Dort, auf der Chefetage der Deutschen Bank, gibt es sichere Arbeitsplätze mit hohem Einkommen. Das beste daran ist, daß mittlerweile auch Frauen in den Chefbüros sitzen. Davon träume ich: eine Frau mit sicherer Stellung und Geld wie Heu.
Fragestellerin: (Pause)
Dicki: Als nächste Frage sollte auf Ihrem Zettel stehen, ob ich für die Gruppe spreche. Die Antwort ist nein. Aber wenn ich mir einige der Herrschaften ansehe, glaube ich schon, daß sie ganz ähnliche Intentionen haben.
Fragestellerin: Und die Frauen?
Dicki: Daß Sie das überhaupt fragen! Das versteht sich doch von selbst.
Fragestellerin: Was machen Sie dann? Also, wenn Sie dieser Traumfrau begegnen?
Dicki: Och, was man so macht als Mann und Frau. Turteln, Girren und Gurren und - so weiter.
Fragestellerin: (eilig) Vielen Dank, wir wollen noch einige andere ...
Dicki: Das war schon alles?
Fragestellein: Danke, wir müssen jetzt wirklich ...
Dicki: (streng) Sie halten mich für einen Spinner.
Fragestellerin: Nein, wirklich ...
Dicki: Oder Sie glauben, ich wolle Sie verarschen.
Fragestellerin: Nein, keineswegs.
Dicki: Da bin ich aber froh. Passen Sie auf, ich lade sie zu einer Tasse Kaffee ein und

Schnitt.

Ich hatte mir eine kleine Einkaufsliste gemacht, um unter anderem herauszufinden, ob es in dem neueröffneten Supermarkt in meiner Nähe ein Mineralwasser meiner Wahl und diesen appetitlich würzigen Tomatensaft gibt. Während ich forschend durch die Regalreihen stapfte, rief eine Frauenstimme: "Lilu, wo bleibst du denn! Komm mal her." Angenehm, freundlich, ohne Aufregung, und ohne Ungeduld. Kein "Wir wollen doch jetzt" und kein "nun mach mal endlich". Und eine helle, sehr junge, aber deutlich artikukierende Stimme antwortete: "Ich komm doch schon. Ich krabbel. Ich komm gekrabbelt." Im selben Moment bog ich um die Ecke und sah das Kind: die Äuglein leuchteten vor Vergnügen, und es krabbelte auf allen Vieren; nicht dorthin, von wo die Mutter gerufen hatte, sondern quer durch die Regale, Richtung Eingang.

Was ich suchte, fand ich nicht; offenbar führt dieser Supermarkt nicht die von mir bevorzugten Marken. Also strebte ich zur Kasse und sah aus dem Augenwinkel besagtes Kind nunmehr laufend zwischen Obst und Gemüse. Wieder rief die Mutter: "Lilu, wo bist du denn?" Die Frau kam mir entgegen, und wie im Spiel, wo man jemandem das Versteck einer dritten Person verrät, zeigte ich verstohlen auf die Kleine. Wir lächelten uns kurz, aber herzlich an, ich begab mich zum Weinregal, sie holte ihre Tochter. An der Kasse stand sie einige Positionen vor mir, zu weit, um etwas Freundliches über die melodische Stimme ihrer vergnügten, ungehorsamen, aber völlig friedlichen Tochter zu sagen, zumal der hagere Mann vor mir mit seinem Babbelfon herumnervte, aber ich konnte sie in Ruhe betrachten: ein Gesicht. Um das Kind, das an einer Barriere herumturnte und gar nicht zu bremsen schien, wieder einzufangen, sagte sie: "Willst du mir helfen? Leg das doch mal aufs Band." Gab dem Kind irgendeinen Artikel in die Hand, und dieses legte das Teil mit konzentriertem Gesicht auf das Laufband vor der Kasse.

Auf der Straße sah ich die beiden vor mir gehen. Ein Wunschkind, dachte ich. Und: sie ist glücklich mit ihrem Kind. Und: Sie nervt nicht herum, sondern tut nur das, was nötig ist, ohne dem Kind Freiheiten zu nehmen. Ich freue mich darauf, den beiden wiederzubegegnen. Denn obwohl ich ein Kinderschreck bin, mag ich die Lütten doch von Herzen gern: wenn sie sich des Lebens freuen.

Man mag mir widersprechen, daß Kriminalromane leichte Lektüre sind, denn manche Leute zerbrechen sich gerne den Kopf über der Frage, wer der Täter sei. Krimis, die ich mag, schildern Land und Leute anhand zahlreicher Beobachtungen und benutzen den Kriminalfall nur als Aufhänger. Sobald es einem Autor gelingt, mich auf den ersten Seiten für die Personen seiner Geschichte zu interesssieren, bin ich schon zufrieden und lese auch dann weiter, wenn die erzählerischen Kniffe durchsichtig sind: wer für Geschichten empfänglich ist, kommt früher oder später den Erzählern auf die Schliche. Solange nur die Geschichte interessant ist.

Seit Jahren ist mir klar, daß die heutigen Krimiautoren in der Mehrzahl Nischenschriftsteller sind: sie haben ein Spezialwissen über eine Stadt oder ein Land in einer gegebenen historischen Epoche (kann auch Gegenwart sein), ihre Hauptperson hat moderne Ansichten (soweit sie sich mit jener Zeit vertragen und insofern die Ansichten heute als modern gelten) und sitzt zwischen allen Stühlen, ist aber sympathisch. Man recherchiert gewiß, ob die Nische noch unbesetzt ist, man guckt sich das Handwerk von erfolgreichen Autoren ab: voila, eine Krimiserie a la - na, was auch immer.

Donna Leon gehört gemäß dieser Symptomatik dazu, ist aber eine Ausnahme: sie hat sich gesagt, daß sie mit politischen Aufsätzen weniger sagen kann als mit Romanen und auch weniger Leser findet; sie schreibt über Venedig, weil sie dort lebt. In ihrem ersten Krimi steckt viel linker Kitsch, aber sie ist gereift, dann hat sie (ab dem siebten oder achten Krimi) weitergeschrieben, weil das Rezept erfolgreich war, auch wenn die Geschichten mehr Routine als Anliegen waren. Der typische Nischenautor hat kein Anliegen, sondern will vom Schreiben leben, deshalb sind die Krimis marktgerecht am Zeitgeschmack ausgerichtet. Folgerichtig steigt der Anteil politischer Korrektheit ständig, da "p.c." längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist.

Dennoch war ich überrascht von dem Roman einer französichen Autorin, bei dem mir nach zehn Seiten - die als Schwerkriminelle dargestellten Personen entpuppten sich als Angehörige einer Spezialeinheit der Polizei - klar war, daß ein politisches Programm abgearbeitet wird. Böse Behörden und -vertreter einerseits, verfolgte Ausländer andererseits; als Motiv ein Gemisch aus Ausländerfeindlichkeit und Profitgier. Der Grund, weshalb ich weiter und zuende las, lag in ihrer konsequenten Schwarz-Weiß-Malerei und meiner Neugier, wie weit sie das an Symptome angelehnte, aber wirklichtsfremde Stück wohl treiben werde. Und die Neugier wurde belohnt.

In was für einem Land spielt eine Geschichte, in der die Behörden und die Wirtschaft von originären Franzosen dominiert werden, die Bevölkerung hingegen, so wie sie geschildert wird, überwiegend (ja, beinahe ausschließlich) nichtfranzösich ist? Klarer Fall, das muß eine französische Kolonie sein, Algerien vielleicht oder Tschad, vor deren Unabhängigkeit. Stimmt aber nicht, als Ort der Handlung sind ausdrücklich Paris und dessen Vororte genannt. Und die Autorin scheint vor lauter Beflissenheit in Antiausländerfeindlichkeit gar nicht gemerkt zu haben, daß sie Frankreich seiner französischen Bevölkerung beraubt. Vielleicht wollte sie das auch gerne in der Realität so haben, so wie die Antideutschen Deutschland gerne von Deutschen befreit sähen; aber amüsant ist es schon, zu welcher Blindheit "p.c." führen kann.

Vorhin noch mal schnell einen Brief auf die Reise bringen, mit dem Rad am Deich lang: sämtliche Pappeln umgelegt, stattliche Bäume, aber eine Brutstätte für Vögel und im Herbst immer die fliegenden Blätter, nicht? Dann im Postamt ehemaligen Computerspieleladen, der jetzt das Postgeschäft betreibt, da lag eine Plastiktüte mit ausbeulendem Inhalt am Tresen. Ob die jemand vergessen habe, fragte der Kunde vor mir. "Bestimmt eine Bombe," wußte ich sofort zu sagen, und schon tippten die anwesenden Inhaber von Pingelphones routiniert per Daumen den Notruf in die Tastaturen. Auf dem Heimweg ein Lastwagen in einer Einfahrt, Aufschrift "Sure we can". Sure! dachte ich, das sind Islamisten. Sofort die Polizei verständigt; Hubschrauber, gepanzerte Fahrzeuge, Absperrungen und jede Menge Uniformierte unverzüglich im Anmarsch. Inzwischen hatte ich meinen Irrtum erkannt und mich davongemacht. Scheiße, dachte ich, jetzt hab ich die Antifa am Hals, wegen Ausländerfeindlichkeit. Und "Antifa heißt Angriff", so steht's auf deren Spruchbändern. Wo du hinguckst, Terror.

Brian Epstein, immer bemüht, den Beatles neues Publikum und neue Verdienstmöglichkeiten zu öffnen, hatte einen Vertrag abgeschlossen, der laut George Harrisons Erinnerungen bis zu 5000 Konzertgänger vorsah, aber selbst wenn im Kontrakt 50000 gestanden hätte: es waren 200000 zahlende Besucher zugegen, ein sehr lukrativer Vertragsbruch also, der selbstverständlich Klagen, Prozesse und einen unumgänglichen Verlust nach sich gezogen hätte. Der Promoter - ich rekonstruiere die Geschehnisse von damals auf den Philippinen - wird beste Beziehungen zu Diktator Marcos und dessen Frau Imelda (und ehemaliger Schönheitskönigin, hoppla) unterhalten haben.

Die Beatles erzählten im Interview (mit dem britischen Fernsehen, BBC oder was immer) nach ihrer Rückkehr, die Atmosphäre habe von Beginn an nach Krawall gerochen, sei feindlich gewesen. Sie hätten ihren Liveauftritt absolviert, seien in ihr Hotel chauffiert worden, und häten sich am nächsten Morgen zunächst einmal gewundert, daß ihrem Frühstückswunsch auch auf Nachfrage nicht entsprochen worden sei. Im Fernsehen hätten sie dann eine tieftraurige Imelda Marcos (Verona Feldbusch alias Pooth mit ihren Tränen auf Bestellung ist ein schwacher Abklatsch dagegen) gesehen und weinende Schulkinder, denn die Beatles hätten es abgelehnt, einer Einladung der First Lady der Philippinen Folge zu leisten - einer Einladung, von der sie kurzfristig erfuhren und der sie nicht zu folgen bereit waren, weil sie - bekanntermaßen - ihren freien Tag als freien Tag verstanden.

Im Flughafengebäude, auf dem Weg zu ihrem Jet, seien sie bedroht und herumgeschubst worden, sie wurden gehaßt von den Leuten auf der Straße ebenso wie von der Polizei, und letzten Endes seien sie und ihre Begleiter (also Manager und Roadies) nur heil herausgekommen, weil sie alles verdiente Geld zurückgelassen hätten. Und das war von Anfang an geplant, sage ich heute, rückblickend. Eine große Inszenierung, ein Theater zu dem einzigen Zweck, dem Konzertpromoter und seinen Gönnern, der Familie Marcos, einen Extraprofit zu bescheren. Ein frühes Beispiel für Inszenierungen, die heute gang und gäbe sind. Sach ich mal so.

 

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