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Tiefsinniges Geklimper. Im Studio sitzen der Moderator und zwei Gäste in dunklen Ledersesseln, zwischen ihnen ein Tisch aus Glas und Chrom. Rolltitel: "Wenn und Aber", "Das Gedicht", "durch die Sendung führt:", "Humbert Mumpitz". Das Klimpern versickert.

Mumpitz: Guten Abend, meine sehr verehrten Damen und Herren. Heute zu Gast im Wenn-und-Aber-Studio: Herr Doktor Unstroh, Verfasser der Denkschrift "Morgens gefügt, abends gedichtet" (deutet nach rechts, Applaus), und Herr Professor Wirsing, der in der Reihe "Schritt für Schritt" den Band "Das Gedicht im Wandel der Zeit" veröffentlichte (deutet nach links, Applaus). Bevor wir jedoch in medias res gehen, wollen wir die Zuschauer mit einem kurzen Film auf unser Thema einstimmen. Bitte.
MAZ: Ein Zeichentrickvorleser. "Es naut die Blacht." Errötet, verzieht den Mund. "Es blaut die Nacht, die Sternlein .."
Mumpitz: Halt, halt, das ist falsch. Hallo Regie, können wir die andere MAZ haben?
Regie: (blechern) Die MAZ liegt leider nicht vor.
Mumpitz: Hmmnnja. Nun, dann - Herr Unstroh, Sie gucken so ungeduldig, wollten Sie etwas sagen?
Wirsing: (süffisant) Ach, bei Ihnen muß man ungeduldig gucken, um zu Wort zu kommen.
Unstroh: (spitz) Offenbar genügt das allein nicht, eine gewisse Vordrängelmentalität ...
Wirsing: Ich muß doch sehr bitten!
Unstroh: Na bitte. Ich wollte lediglich anmerken, daß wir hier und jetzt sehr rasch zu einer Einigung kommen können, denn es ist doch so, nicht wahr, das Gedicht ist die Popmusik der Literatur.
Wirsing: Nein. Nein. So geht das nicht.
Unstroh: Die Popularität läßt sich aus den Zahlen des Buchhandels eindeutig beweisen: zwei komma fünf Millionen verkaufte Gedichtbände allein im vergangenen Kalenderjahr. (schwenkt ein Papier)
Wirsing: (hält seinerseits ein Papier hoch) Wenn Sie schon mit statistischem Material aufwarten, müssen Sie aber auch dazusagen, daß allein 73,24 Prozent auf die Herren Goethe und Schiller entfallen, die, das dürfen wir getrost unterstellen, als ungeliebte Geschenke in Bücherregalen verstauben, man kennt das doch.
Unstroh: Selbst wenn dem so wäre, Herr Kollege, blieben noch eine halbe Million Bände. Bei einem Umfang von durchschnittlich 50 Gedichten mit rund 16 Zeilen entfielen immerhin 5 Verse auf jeden Bundesbürger, was einer Strophe aus Goethes "Sah ein Knab' ein Röslein steh'n" entspräche.
Wirsing: Was soll das beweisen? Das ist doch diese typische statistische Augenwischerei. Entspricht denn, möchte ich mal in aller Bescheidenheit fragen, die (mit spöttischem Nachdruck) Qualität dieser fünf Verse auch einer Strophe Goethens? Na? Na also. Da haben wir doch das Dilemma. Nehmen Sie nur Klopstock.
Unstroh: Was ist denn mit Klopstock?
Wirsing: (triumphierend) Wird nicht mehr gelesen!
Unstroh: Aber Mörike!
Wirsing: Was ist mit Opitz?
Unstroh: Heine!
Wirsing: Scheffel!
Unstroh: Schubert!
Wirsing: (verwirrt) Schubert?
Unstroh: Habe ich Schubert gesagt? Ich meinte natürlich Allert-Wybranitz.
Wirsing: (schnaubt) Sagen Sie doch gleich Courts-Mahler!
Unstroh: (springt erregt auf) Sehr verehrter Herr Kollege!
Regie: (blechen) Die MAZ liegt jetzt vor.
Mumpitz: Danke, liebe Kollegen von der Regie, aber leider läuft uns wieder einmal die Zeit davon. Eine letzte Frage an unsere beiden Gäste: welche Gedichte hatten Sie als Kinder am liebsten. Herr Wirsing?
Wirsing: (erhaben) Struwwelpeter.
Mumpitz: Herr Unstroh?
Unstroh: (kichert) Max und Moritz.
Mumpitz: Aha. Und damit sind wir am Ende der heutigen Sendung. Ich darf mich bei meinen Gästen ganz herzlich für die klärenden Worte bedanken, und wünsche Ihnen daheim und hier im Studio noch einen angenehmen Abend. (Applaus)

Tiefsinniges Geklimper. Rolltitel des Abspanns. Dahinter das Studio; Wirsing und Unstroh sind aufgesprungen und schreien sich an.
MAZ: ... unterscheidet der Fachmann mindestens siebzehn unterschiedliche Reime. Die bekanntesten sind Stabreim, Binnenreim, Kehrreim und Abzählreim. Schon die alten Griechen ...
Sender: Bild- und Tonausfall.

(Tingeltangelklavier, Trickfilm: ein Elefant stolpert durch das Bild, stürzt nacheinander vier Mülltonnen um, aus denen die Sprechblasen "Das" "gibt's" "doch" "nicht!" aufsteigen. Als er eben nach rechts aus dem Bild verschwindet, jagt von rechts eine Maus mit aufgerissenem Rachen hinter ihm her. Schlußakkord, Umschnitt, karg möbliertes Studio)

Moderator: Hallo und willkommen. Sie kennen mich, ich kenne Sie, wir alle kennen diese Sendung, also kommen wir gleich zur Sache bzw. zu unserem ersten Gast. Es ist Herbert Grützbrot. (Ein dicklicher Bayer mit Glatzkopf kommt aus der Kulisse und nimmt Platz. Beifall)
Grützbrot: (hält eine Pappe im DIN A3 - Format hoch) "Grüß Gott".
Moderator: Herr Grützbrot wird alle Fragen mit beschrifteten Pappen beantworten, die er vor zwei Jahren fertiggestellt hat. Aus seinen 50 Tafeln wähle ich jetzt 20 aus. Dann stelle ich meine Fragen, die ich vorige Woche unter notarieller Aufsicht formuliert und versiegelt habe. Herr Grützbrot behauptet, auf diese Weise - also mit seinen 20 zufällig ausgewählten Pappen, die er in Unkenntnis meiner heutigen Fragen beschriftet hat - ein sinnvolles Gespräch führen zu können. 'Unmöglich' sagen Sie, und das sage ich auch. (hat unterdessen die Pappen blind ausgewählt, bekommt ein Kuvert gereicht, das er mit bedeutsamer Miene aufreißt und aus dem er ein Bündel Karteikarten zieht) So. Die erste Frage: Herr Grützbrot, sind Sie bereit?
Grützbrot: (fischt lässig einen Karton aus seinem Stapel) "Ist der Papst katholisch?"
Moderator: Gegenfragen gelten nicht!
Grützbrot: (überlegen) "Das ist doch keine Frage!"
Moderator: (kratzt sich am Kopf) Hm. Jetzt also die Frage: in wievielen Sendungen waren Sie bereits mit Ihren Pappen?
Grützbrot: (schmunzelnd) "Wer kann das schon wissen?"
Moderator: Ein wenig präziser dürfen Sie ruhig sein. Die korrekte Antwort lautet natürlich 'fünf'. - Sie scheinen sich über Sprache viele Gedanken gemacht zu haben. Wollten Sie mal Schriftsteller werden?
Grützbrot: "Das Leben ist ein Roman"
Moderator: Schon wieder ausweichend. Also was nun, 'ja' oder 'nein'?
Grützbrot: "Ich glaube, nicht"
Moderator: (ungehalten) 'Ja' oder 'nein'?
Grützbrot: (eingeschüchtert) "Nein"
Moderator: Na also. (Beifall) Sie sind verheiratet und haben mit Ihrer Frau zwei Kinder. Wie heißen die?
Grützbrot: "Fix und Foxi"
Moderator: (verblüfft) Im Ernst?
Grützbrot: "Nein"
Moderator: Halt, halt, halt. Diese Pappe hatten wir schon, das ist Schummeln.
Grützbrot: (verlegen) "Entschuldigung" - "Romeo und Julia"
Moderator: Oh, nach Shakespeare benannt. Sie haben überhaupt ein Faible für den alten William. Welches ist Ihr Lieblingsstück?
Grützbrot: "Was ihr wollt"
Moderator: Beantworten Sie bitte meine Frage!
Grützbrot: "Aida"
Moderator: Ach ja, wunderbar, ein Meisterwerk. (Zwischenruf aus dem Publikum)
Grützbrot: (in Richtung Zuschauer) "Banause"
Moderator: Ein wahres Wort. (Beifall) Acht Pappen sind noch übrig, wird langsam eng, gell? Jetzt geht's ans Schwitzen?
Grützbrot: (lächelnd) "Ich doch nicht"
Moderator: Wir werden sehen. Nächste Frage: wie würden Sie Umberto Ecos Roman 'Der Name der Rose' zusammenfassen?
Grützbrot: (entschlossen) "kurz und schmerzlos"
Moderator: Die Kalauer dürfen Sie getrost mir überlassen.
Grützbrot: "Kommt auf keinen Fall in Frage"
Moderator: Aha, ein ganz Schlauer sind Sie. Na warte. (fingert in seinen Karteikarten) Wann hatte Uwe Seeler seinen Durchbruch als Mittelstürmer?
Grützbrot: (strahlt) "Nach dem zweiten Weltkrieg"
Moderator: Jetzt werden wir albern. Ach was, meinetwegen. Noch vier Pappen, das schaffen Sie sowieso nicht. Denn - denn! (gestikuliert mit dem Zeigefinger) - jetzt stelle ich Ihnen eine Frage, die Ihnen bestimmt noch gestellt wurde, oder?
Grützbrot: "Doch"
Moderator: (irritiert) Woher wissen Sie denn, was ich Sie fragen will?
Grützbrot: (vergnügt) "Diese Frage wird mir jedesmal gestellt"
Moderator: Nun bleiben Sie doch mal ernst -
Grützbrot: "Ich tue mein Bestes"
Moderator: (resigniert) Haben Sie sonst noch etwas zu sagen?
Grützbrot: (hebt triumphierend die letzte Pappe) "Die Gedanken sind frei"
Moderator: (wütend) Arschloch!
Grützbrot: (wühlt in den ausgesonderten Pappen, freut sich) "Angenehm, Grützbrot"

(Dramatisch-unheilvolle Musik, Filmschnipsel von brutalen und äußerst brutalen Hinrichtungen, dann Live-Einblendung des Studios, der Moderator geht auf die Kamera zu)

Moderator: Willkommen zu einer neuen Ausgabe von 'Stirb grausamer', die, wie Sie sicher wissen, erste und immer noch einzige Hinrichtungsschau auf diesem Kontinent. (Beifall) Wenn Sie sich mit einer ungewöhnlichen Hinrichtungsart unserer Jury stellen wollen, richten Sie Ihre Bewerbung an diese Adresse (Einblendung, er spricht mit). Und nun zum ersten Gast der heutigen Show, von dem ich selbst noch nicht mehr weiß als seinen Namen: Erwin Gänseschmalz! (Beifall, ein untersetzter Mann von etwa vierzig Jahren watschelt zum Moderator)
Gänseschmalz: Guten Abend.
Moderator: Und Hallo und so weiter. Bevor wir in medias res gehen, verraten Sie uns doch bitte, welchem Beruf Sie nachgehen.
Gänseschmalz: Ich bin Einzelhandelskaufmann.
Moderator: Ah ja, danke. Wen werden Sie heute abend hinrichten?
Gänseschmalz: Oh, da habe ich mir einen Leckerbissen ausgesucht, den Werner Killmann.
Moderator: Wer sich nicht an diesen Fall erinnert: Killmann stieg vor 5 Jahren in Westerbühl in die Villa Kunterbunt des Ehepaares Back-Pfeifer ein, wurde von Ihnen überrascht und erschlug beide mit einem großen Heilmagneten. - Wie werden Sie es tun?
Gänseschmalz: Wie?
Moderator: Ja, wie.
Gänseschmalz: Äh, wie jetzt?!
Moderator: (betont deutlich) Wie beabsichtigen Sie, den Delinquenten zum Tode zu befördern? (Gelächter, dann Applaus)
Gänseschmalz: Ach, das. Killmann wird auf diesem Stuhl festgeschnallt (zwei Uniformierte führen einen grobschlächtigen Mann mit Künstlerfrisur herein, zwingen ihn auf den Stuhl und fesseln ihn). Mein selbstentwickelter Apparat zum Blütenblattbeschuß wird ihn dann gleich mit der optimalen Frequenz von zehn pro Minute bombardieren.
Moderator: (überrascht) Mit Blütenblättern?
Gänseschmalz: Aber sicher! Die Blätter werden im Winkel von 90 Grad auf seiner Fontanelle aufschlagen, mit einer Wucht von Nullkommazweidrei Newton, was eine Stauchung von Zehn hoch minus 7 Nanomillimeter hervorruft, ihn also unweigerlich platt machen würde, wenn die andauernde Erschütterung nicht seine Knochen förmlich zerpulvern ließe.
Moderator: Erstaunlich. Und wann wird es soweit sein, wieviel Blütenblätter müssen Sie da ungefähr verschießen?
Gänseschmalz: Ja, mit meinem alten Physiklehrer (winkt ins Publikum) habe ich das ausgerechnet, ja, so ungefähr eine Milliarde würde genügen, voll und ganz.
Moderator: Ach. Eine Milliarde. Zehn pro Minute, mal sehen. 1440 Minuten, rund 1500, also 15000 pro Tag? 65000 Tage? 180 Jahre? Nein, nein, nein, so lange darf ich bestimmt nicht überziehen. (Gejohle)
Gänseschmalz: Vielleicht, wenn ich die Frequenz erhöhe?
Moderator: Nein. Nein, nein. Die Jury hält auch bereits die Daumen nach unten. Nein Herr Gänseschmalz, ich fürchte, keiner der hier Anwesenden würde diese Hinrichtung überleben. (Klatschen, Johlen, Trampeln)
Gänseschmalz: Och.
Moderator: Glück gehabt, Killmann. Aber wer weiß, vielleicht beim nächsten Mal? Liebe Zuschauer daheim, bleiben Sie dran, denn nach einer kurzen Unterbrechung geht es richtig zur Sache, da kommt der Mann mit dem Hammer! (Überblendung)

(Die vertraute Innenansicht des Reviers, die Eingangstür wird geöffnet, ein zerrupft aussehender, nicht mehr allzu junger Mann humpelt herein, Nase und Mundwinkel bluten, Kratzer zieren sein gerötetes Gesicht)

Mann: (an den Tresen tretend, aufgeregt) Herr Wachtmeister, ich bin bedroht und geschlagen worden, keine hundert Meter von hier. (schnauft, hält sich ein Ohr)

1. Wachtmeister: (routiniert) Wie viele waren es, und haben Sie jemanden erkannt?

Mann: eine ganze Menge, ich kenne niemanden von denen, aber die hatten alle Schals und Wimpel und Hüte und wasweißich in Deutschlandfarben.

1. Wachtmeister: (nach hinten) Willi, komm doch mal! (zu dem Mann) Sie sind wohl kein Fußballfan?

Mann: Nicht so richtig. Aber ich hab das Spiel gesehen und dann wollte ich auf der Straße die Feier angucken. Gleich als erstes tutet mir einer ins Ohr, direkt rein, das hat richtig Knack! gemacht, tut höllisch weh. Verflixt, ich muß zum Arzt! (Eine Träne rollt über die unversehrtere Wange)

2. Wachtmeister: (hat ungeduldig zugehört) Haben Sie den Tuter etwa angegriffen?

Mann: Was? Nein, das tat so weh, ich hab sofort eine Hand aufs Ohr gehalten. Da stoppen plötzlich Autos, junge Leute springen raus, Umstehende drängen sich ran, und dann beschimpfen sie mich. Mich, meine Mutter, meine Frau ...

1. Wachtmeister: Aha, die waren also dabei, dann haben Sie ja Zeugen.

Mann: Nein, ich war allein. Ich bin auch gar nicht verheiratet. Hab ich denen auch gesagt, da riefen sie "Schwanzlutscher" und "Arschficker", einer hat zugeschlagen, danach gabs von allen Seiten Schläge und Tritte, ich bin nur noch gerannt, direkt hierher.

2. Wachtmeister: Jetzt hören Sie mir mal ganz genau zu. Wenn die Menschen ihr schönes Vaterland feiern, weil sie sich über den Sieg im Länderspiel freuen, dann können Sie nicht ankommen und sich die Ohren zuhalten, das ist eine ganz gemeine Provokation, geradezu eine Aufforderung zu Mord und Totschlag. Und die Aufforderung zu kriminellen Handlungen steht unter Strafe, haben Sie mich verstanden?!

Mann: (grimmig) Ja, das ist klar. Mir ist überhaupt Manches klargeworden. (tückischer Gesichtsausdruck)

1. Wachtmeister: Was soll denn das heißen? Spielen Sie hier mal nicht das unschuldige Opfer!

Mann: (patzig) Ich muß jetzt zum Arzt. (geht zum Eingang, die Tür fällt hinter ihm ins Schloß)

1. Wachtmeister: Willi, ich hab so ein Gefühl, der wird bald Kunde bei uns sein.

2. Wachtmeister: Daß solche Typen überhaupt noch frei herumlaufen - eine Schande.

Bildschirm: Lasergewaber.
Erkennungsgeräusch: dumpfes Wummern. Ein Synthie-Akkord schwillt auf, verebbt.
Bildschirm: eine Buchstabenanimation springt hektisch in den Vordergrund.
Titel: Begegnungen
Sprecherstimme: Begegnungen. - Heute: Majorleutnant Dropp vom 3. Bombergeschwader und ein Kollateralschaden von der irakisch-iranischen Grenze.
Studio: Leder, Chrom, Glas. Modisch geputzter Jungmoderator winkt nachlässig ins Publikum.

Moderator: (über Head-Set) Hallo, mit wem spreche ich?
Stimme: Machmut Mir-Allah, Kollateralschaden.
Moderator: Von wo sprechen Sie?
Stimme: Aus dem Jenseits.
Moderator: (verblüfft) Ohne Scheiß, Alter?
Stimme: (würdevoll) Ich habe es nicht nötig, zu lügen.
Moderator: Okay, okay. Wie war denn das jetzt, die Sache mit ...
Stimme: Ja, das war so. Ich saß vor dem Fernseher und meine Frau hatte gerade frischen Tee zubereitet. Es gab eine kurze Bilddstörung, danach war das Bild grün, in der Mitte ein Fadenkreuz, also, sie kennen das, diese Kameras, die aus den Bomben fotografieren ...
Moderator: Äh, ja.
Stimme: ... und da ratterten am Bildrand Zahlenreihen, und ich erkannte unser Dorf, eine Luftaufnahme von unserem Dorf, aus einer fallenden Bombe aufgenommen. Ich bin zum Fernseher gesprungen, um ihn auszuschalten, aber zu spät. Und Bumm!
Moderator: Voll krass.
Stimme: Warum, Herr Majorleutnant, warum ich, wir, unser Dorf, warum?
Moderator: Ja, Droppsie, das ist die Frage, und meine Info sagt außerdem, ich darf das wohl eben einschieben, das zu jener Stunde die iranische Urananreicherungsindustrieanlage in Isfahan angegriffen wurde, mehr als 100 Kilometer entfernt.
Majorleutnant: Nun, lassen Sie mich zunächst einmal versichern, daß unsere Hochpräzisionswaffen mit einer Genauigkeit arbeiten, daß Experten vollkommen zurecht von chirurgischen Eingriffen sprechen. Es muß sich deshalb bei diesem höchst bedauerlichen Vorfall, bitte glauben Sie mir das, um einen Selbstmordangriff der Terro ...

Bildstörung.
Danach grüner Bildschirm, ein Fadenkreuz, ratternde Zahlenkolonnen am Bildrand. Luftansicht einer westeuropäischen Metropole. Die Kamera scheint rasend schnell zu zoomen, eine bekannte Sendeanstalt wird erkennbar, füllt den Bildschirm.

Bildstörung.

(am Rande einer Präsidiumssitzung. Bodyguards in adrettem Mafialook bevölkern den Bildhintergrund)

Interviewer: (wichtig) Herr Müntefuer, Ihre Äußerung, wer nicht ißt, soll auch nicht arbeiten, hat in der vergangenen Woche für viel Unruhe gesorgt. Das reicht vom Reichsbund der Kriegsversehrten über den deutschen Philologenverband bis hin zur Bundesvereinigung Schwerreicher, die alle ...
Müntefuer: (eilig) Eine Diffamierungskampagne des politischen Gegners ist das, mein Zitat wurde aus ...
Interviewer: (unfreundlich) ... dem Zusammenhang gerissen, ach so. Was haben Sie denn tatsächlich gesagt in diesem Zusammenhang, also, in jenem Zusammenhang?
Müntefuer: (überlegen) Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang einmal darauf hinweisen, daß in jüngster Zeit auffallend oft Gutes schlechtgeredet wird. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: es kann doch nicht sein, wir haben seit Jahrzehnten die beste Außenhandelsbilanz, das haben wir gemacht, aber ich sage Ihnen, der Aufschwung ist noch nicht in trockenen Tüchern, und wer jetzt leichfertig kaputtredet das, da sage ich Ihnen ganz ehrlich, da steckt eine ganz gefährliche Einstellung ...
Interviewer: (ungeduldig) Aber was haben Sie denn nun tatsächlich gesagt?
Müntefuer: Hm? Wie? Haben Sie mir etwa nicht zugehört? (Die Bodyguards starren den Interviewer feindselig an)
Interviewer: (nervös) Nein. Doch. Ich meine damals, in jenem Zusammenhang. Was Sie damals tasächlich gesagt haben.
Müntefuer: (ärgerlich) Ich lasse mich hier nicht in eine bestimmte Ecke drängen von Ihnen, das ist eine infame ... (die Bodyguards rücken näher)
Interviewer: (hastig) Ich danke Ihnen für das Gespräch.

(Zwei Männer um die 50 in einem Park. Nur ihre Oberkörper sind zu sehen, im Hintergrund Bäume und Sträucher)

erster Herr: Hallo!
zweiter Herr: Hä?
erster Herr: Ja, Sie!
zweiter Herr: Äh, hallo.
erster Herr: Würden Sie bitte ihre Ratte von meinem Bein entfernen.
zweiter Herr: Das ist ein Rauhhaardackel.
erster Herr: Ich seh da keinen Unterschied.
zweiter Herr: Ja, das ist so, wie soll ich sagen -
erster Herr: Nehmen Sie das Tier von meinem Bein.
zweiter Herr: Er will doch nur spielen, stimmt's, Henry?
erster Herr: Henry? Henry rubbelt sich einen ab.
zweiter Herr: Ach so. Kein Grund zur Sorge, das ist biologisch voll abbaubar.
erster Herr: Nun nehmen Sie doch schon ihren Henry fort!
zweiter Herr: Da könnte man gut einen Kalauer draus machen, haben Sie das auch bemerkt?
erster Herr: Das Vieh hat bereits glasige Augen, also machen Sie endlich!
zweiter Herr: Henry: Sitz!
erster Herr: - Der hört nicht auf Sie.
zweiter Herr: Ist wohl schon über den point of no return hinaus.
erster Herr: Wie mich das abtörnt.
Henry: Pfii! pfii! pfii! --- hu.
erster Herr: Ob Sie wohl eine Prise Fleckensalz hätten?
zweiter Herr: (hält eine Tube ins Bild) Nehmen Sie doch einfach K2r. K2r - für spezielle Fälle.

Elfriede: Sach mal, Alfred, mein die das Ernst?
Alfred: Was denn jetzt schon wieder?
Elfriede: Na, was die hier schreiben tun. Dassde Deutschland bist und so.
Alfred: Zeich mal her. - Na, det iss doch wohl klar, det ick Deutschland bin. Wurde langsam Zeit, daß die Sozis das auch mal merken.
Elfriede: Aber die reden da von Taifun ... naja, du machst ja manchmal schon ziemlich Wirbel.
Alfred: Was soll denn dit nu wieder heißen. Ich sitz hier friedlich in mein Sessel, les meine deutsche Zeitung, und Samstags guck ich Sportschau.
Elfriede: Naja eben, wenn wir mal was anderes sehen wollen als deine olle Sportschau, gehste gleich die Wände hoch.
Alfred: Dit iss ne infame Unterstellung! Ihr behauptet doch absichtlich, daß eure Sendungen zur gleichen Zeit laufen, weil ihr das nicht ertragen könnt, wenn sich ein geistig gesunder Mensch für was begeistert.
Elfriede: Begeistern nennste das? Schimpfen wie n Rohrspatz, das tuste.
Alfred: Schtt! Hier steht: "Gib Gas."
Elfriede: Wenn du mal Gas gibst, denn geht das in dein Sessel. Steh mal auf, ich muß den jetzt auslüften.
Alfred: "Es gibt keine Geschwindigkeitsbegrenzung." Dit iss mal vernünftig. Denn werden meine Punkte in Flensburg endlich gestrichen. Und hier: "Schlag mit den Flügeln. Reiß Bäume aus."
Elfriede: Du und Bäume ausreißen? Aber wenn die aufgedonnerte Krolowski auffe Straße steht, denn flatterste um sie rum wie son Pfau.
Alfred: Die Frau Krolowski iss ne ehrbare Dame, ja?! Daß ich bei dir nicht wie n Pfau rumhüpfe iss doch klar, du bist ja auch kein Perlhuhn.
Elfriede: Perlhuhn? Alfred, du wolltst mir doch immer die Perlenkette kaufen, haste schon vor unserer Hochzeit von geredet. Aber biste einfach zu geizig zu.
Alfred: Bei all dem Gejammer von dir kannst du froh sein, daß ich dich immer noch ernähre.
Elfriede: Mich ernähren! Du kannst doch nicht mal ne Pizza auftaun.
Alfred: Weil mir das einfach zu dumm ist. Ich befass mich lieber mit anspruchsvollen Dingen. Hier: "Du bist der Flügel. Du bist der Baum." Das ist Poesie.
Elfriede: Blödsinn ist das. Du bist Alfred, kein Flügel und kein Baum.
Alfred: Und hier: "Mach dir die Hände schmutzig. Du bist die Hand. Du bist das Land. Du bist schmutzig."
Elfriede: Die mein tatsächlich dich. Aber soll das jetzt für alle gelten? Die könn doch nicht alle so sein wie du.
Alfred: Det wär aber besser, denn würd das hier mal n bißchen zackig zugehn. Schluß mit Faulenzerei und Versorgungsmentalität.
Elfriede: Mußt du gerade sagen!
Alfred: Schluß mit dem ewigen Genörgel. Du sollst nicht fragen, was ich für dich tun kann, sondern was du für mich tun kannst. Ich bin Deutschland.
Elfriede: Das biste wohl wirklich.

Erkennungsmelodie. Die üblichen Portraitbilder von V.I.P.s des XX. Jahrhunderts werden in rascher Folge eingeblendet.
Off-Sprecher: Sehen Sie nun in der Reihe "Berühmte Perönlichkeiten" Mike-Uwe Stuczs, Meinungsforscher. Wie immer führt Hans-Hedwig Hermann durch die Sendung.
H.-H. H.: (Nahaufnahme) Guten Abend daheim, sehr verehrte Damen und Herren. Heute begrüße ich im Studio den berühmten Meinungsforscher Mike-Uwe Stuczs.
(Die Kamera zieht auf, bis das gesamte Studio inklusive Eingangstür im Bild ist. Herr Stuczs trippelt herein, guckt selbstgefällig in die Kamera und reicht Herrn Hermann geistesabwesend die Hand.)
M.-U. S.: Schön haben Sie's hier.
H.-H. H.: Guten Abend. Nehmen Sie doch bitte Platz.
M.-U. S.: (unverwandt in die Kamera starrend) Danke. (setzt sich)
H.-H. H.: Wie wird man eigentlich Meinungsforscher?
M.-U. S.: Das hat man einfach im Blut.
H.-H. H.: Sie meinen ...
M.-U. S.: Ich hatte immer schon ein Gespür für Meinungen, da hab ich nie groß fragen müssen.
H.-H. H.: Aber gefragt haben Sie doch schon auch?
M.-U. S.: Sicher. Ich mußte mich ja erst etablieren. Da bin ich ganz klassisch von Tür zuTür und hab gesagt, hallo, ich bin Student und verdien mir als Meinungsforscher mein Studium, wollen Sie sich an einer Umfrage beteiligen. Die Menschen waren sehr hilfsbereit.
H.-H. H.: Was waren denn so Ihre ersten Umfragen?
M.-U. S.: Ne tolle Sache war damals die Geschichte, ob die Leute vitaminreiche Kost mögen. Im Ergebnis eine klare Mehrheit für Vitamin B, ich sag mal, das hätte ich vorhersagen können.
H.-H. H.: Ah ja ...
M.-U. S.: Oder die Sache mit dem Briefgeheimnis. Würden Sie gerne die Post von Prominenten lesen? Rekordverdächtige 82,7 % gegen das Briefgeheimnis. Hab ich schon vorher gesagt.
H.-H. H.: Alle Achtung. Und dann hat die Bundesregierung ja tatsächlich das Briefgeheimnis aufgehoben.
M.-U. S.: (genießerisch) Jaja, Volkes Wille. Als ich dann bekannt war, standen die Leute vor meinen Büros Schlange, um sich an den Umfragen zu beteiligen. Das fing mit der Befragung zur ungerechten Behandlung Arbeitsloser an. Satte 100 % waren gegen jede Unterstützung. Seitdem müssen die Arbeitslosen wieder arbeiten oder sich von Freunden und Verwandten durchfüttern lassen. Schluß mit dem Schmarotzerdasein. Hatte ich ja vorhergesagt.
H.-H. H.: Das ist das Erstaunliche. Sie wissen die Ergebnisse im Voraus.
M.-U. S.: In der Tendenz. Seitdem frage ich nicht mehr umständlich herum. Da kommt der Auftraggeber mit einem Thema zur Meinungserforschung, sagen wir mal, sollen Rentner eingeschläfert werden, ich guck mir den an, dann weiß ich die Tendenz, das hat man im Blut.
H.-H. H.: Und dieses Gespür hat Sie berühmt gemacht, das darf man wohl mit allem Respekt sagen, und Ihnen - und Ihrem Institut - den Ruf größter Effizienz eingetragen.
M.-U. S.: (triumphierend in die Kamera starrend) In aller Bescheidenheit.
H.-H. H.: Eine letzte Frage noch - wie vereinbaren Sie Beruf und Familie?
M.-U. S.: Das haben wir gut organisiert; meine Frau führt die Bücher und meine beiden Jungens finden für mich die interessantesten Kontaktanzeigen.
H.-H. H.: Vielen Dank, Herr Stuczs, für diesen interessanten Blick hinter die Kulissen der Meinungsforschung. Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg.
M.-U. S.: (immer noch zur Kamera gewandt) Danke.

hat eine lange, über viele Generationen gepflegte Tradition. Es beginnt mit einer unverdächtigen Frage und wird sodann auf mehreren Ebenen geführt. Ein Ende ist nicht absehbar.

1. Person: Wo waren wir eigentlich letztes Jahr?
2. Person: Margarete, da waren wir in der Dürer-Ausstellung, in Holland, mir fällt aber der Name von dem Ort nicht mehr ein.
3. Person: Haarlem oder Amsterdam.
1. Person: Wart ihr mal in Delft?
2. Person: Amsterdam oder Haarlem, ja ...
3. Person: Bestimmt Haarlem, da ist auch Frans Hals.
1. Person: Ich war schon zweimal in Delft.
2. Person: Ich war auch schon mal in Amsterdam.
3. Person: Amsterdam ist Rembrandt.

 

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