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Symptome

müssen moderne Journalisten sein, sonst können sie nicht adäquat über den täglichen Horror und Terror auf der großen Weltbühne berichten. Die örtliche Zeitung schreibt denn auch konsequent von dem "tragischen Marathon in Boston". Wo kein echtes Gefühl ist, kann man ohne weiteres auch von den "tragischen Morden der NSU" faseln. Und wahrscheinlich war es eine "tragische Drohne", die gestern in Afghanistan fünf Menschen tötete. Was für ein Theater!

Jetzt können sie es uns mal richtig zeigen, die Niemands. Mit diesem Auto.

SpOn war es immerhin eine (Agentur-)Meldung wert, daß Tony Sheridan am 16. Februar 2013 gestorben ist; es war ihm aber insofern schnurzpiepe, als der Unfug, Sheridan sei Lehrer und Entdecker der Beatles gewesen, ohne Bedenken übernommen wurde. Aber das ist heute so in den Qualitätsmedien, da hilft kein Lamentieren. Sheridan, und das steht nicht in der Meldung, starb auf den Tag genau fünfzig Jahre, nachdem die Beatles mit ihrer zweiten Single Please Please Me ihren ersten Nummer Eins Hit hatten und fortan die populäre Musik dominierten; musikalisch bis Ende '67, als erfolgreiche Band bis zu ihrer Trennung 1970.

Wenn wir über Hits reden, kann die deutsche Vorausscheidung für den Grand Prix Eurovision de la Chanson (wie er früher hieß) nicht unerwähnt bleiben. Denn der Gewinnertitel Glorious steht im Verdacht, vom Vorjahressieger abgekupfert worden zu sein. Das wundert mich und wundert mich nicht, weshalb, es klingt alles gleichermaßen belanglos und lohnt nicht, darüber zu reden. Im Wettbewerb vertreten war aber auch ein europäischer Hit des Mittelalters, neu arrangiert von der Gruppe Die Priester und mit der Topsopranistin Mojca Erdmann eingespielt; eine Musik von geradezu überirdischer Schönheit, die mich im Tiefsten berührt. Wie reagierten unsere aufgeklärten, so weltoffenen Zeitgenossen? Die Fraktion der iPad- und Smartphone-Junkies twitterte Hohn und Häme.

Von den wirklich wichtigen Dingen im Leben habe ich keine Ahnung, das erfahre ich immer wieder durch Begegnungen wie neulich im Supermarkt vor der Kasse. Zwei junge Frauen standen hinter mir, die eine sagte zur andern: "Voll krass! Die Oreo-Kekse sind hier sooo teuer. Die kosten das vierfache wie in Amerika. Da ist sowieso das meiste billiger, zum Beispiel Klamotten. Und Kosmetik." - "Echt der Hammer," bestätigte die andere," in Australien bekommst du Klamotten auch viel billiger als bei uns."

Im Stillen sagte ich mir, man müsse Webseiten für diese jungen Frauen von heute, die mit beiden Beinen so fest im Leben stehen, einrichten; mit Adressen wie 'inamerikagibtsdasvielbilliger.com' und 'enaustralie.aussi'. Ich drehte mich - unauffällig, wie ich hoffte - nach ihnen um. Meiner Meinung nach sahen sie wie Frauen aus, die über die Kontinente jetten und die du jederzeit nach Preisen für Kekse, Klamotten und Kosmetika befragen kannst.

Aber, Hand aufs Herz, Herr Dicki, ist das nicht besser, als wenn die eine der anderen erklärt hätte, es heiße nicht mehr "Mitgliederinnen" sondern "Mitglied_innen"? - Nun, "mit Glied innen" ist echt voll der krasse Hammer, nur, wer garantiert mir, daß nicht beide Gespräche von denselben Leuten geführt werden könnten ...

Karma ist Karma, neh? Ja, sie ist weise. Aber er ist auch weise, der Navigator Blackthorne in James Clavells Shogun; er ist ein Held nach Karl Mays Geschmack, und, wenn er noch Sachse wäre statt Angelsachse, perfekt. Was noch? Der Weg ist das Ziel, das Ziel ist das Buch, das Buch war ein Erfolg, auch als Fernseh-Vierteiler. Übrigens mit diesem Chamberlain, der zwischen '75 und '85 sämtliche Heldenrollen spielen durfte. Er war Der Graf von Monte Christo, Der Mann mit der eisernen Maske, Die Dornenvögel und der Shogun, obwohl er nur der Navigator sein durfte und der Standard-Oberjapaner Toshiro Mifune der Shogun.
Über 900 und mehr Seiten verfolgt den Leser die Weisheit "Sie ist weise" - "Nein, er ist weise" - "Nein, sie ist weise" - "Aber er ist auch weise" - "Aber sie ist besonders weise". Außerdem schwirrt mir der Kopf von hai, gomen nasai, karimasu, domo, dozo und ah, so desu, den ständig wiederholten Floskeln eines rudimentären Japanisch, die uns gemeinsam mit Zen-Buddhismus, "freiem" (nicht-puritanischem) Sex und dem Leben in einer durchregulierten Gesellschaft auf eine Welt ohne Moral einstimmen sollen. Und damit war Clavell 1976 (oder wann) am Puls der Zeit; deshalb ist Shogun noch heute aktuell. Gegen die durch Verlogenheit diskreditierte Moral des Christentums (anno 1600) setzt er die Funktionalität des absoluten Gehorsams und den Glauben an die Nichtigkeit des Seins. Und siehe, das damals in mancher Beziehung Europa vorausseiende Japan wird zu einem Ideal für die Zukunft, die Zukunft der Suchenden, der in Moral und Freiheit sich nicht zurecht Findenden und deshalb in esoterischen Gefilden Wildernden. Shogun ist ein abscheuliches Buch, aber clever gemacht. So macht man ein Buch, so macht ein Buch zu Geld, so macht man den Underground zum Mainstream. Und da es ein gutes Geschäft war, kann es nicht schlecht gewesen sein, neh?

Manche Worte sind frei erfunden; sie dienen Marketingzwecken und somst gar nichts. In diese Reihe gehört allemal zukunftsfähig, von dem einem die intakten Übereste des Sprachgefühls signalisieren: das gibt es nicht, kann es nicht geben, ist falsches Deutsch (und schlechtes). Seltsam jedoch, wie häufig es gebraucht, und bezeichnend, wie es gegen Skeptiker eingesetzt wird, wenn es allgemein gesagt um Wirtschaftsprojekte oder Gesetzesvorhaben geht, mit denen sich die Bürger bitteschön abfinden mögen, während die aktiv Beteiligten sich mit materiellem Zuwachs abfinden müssen - wo der wohl herkommt?

Doch ist das alles nichts Neues. Heute genügte mir das Sprachgefühl aber nicht, ich wollte es etwas genauer wissen. Und siehe da: der Duden erlaubt seit einigen Jahren grundsätzlich Konstruktionen wie zukunftsfähig, genußfähig, abluftfähig, um nur ein paar Beispiele zu geben. Ist aber der Duden Schuld an der Misere, die nur eines von vielen Symptomen des Siechtums der deutschen Sprache (und sowieso des Denkens, das es ohne Sprache nicht gibt) ist? Irgendwie hängt das alles zusammen, nicht? Die geistige Verödung, die vollständig geistlose Freie-Märkte-Ideologie, die Rechtschreibreform, die Aushöhlung aller Grundrechte, die den Eliten nicht ins Konzept passen, die Marketingstrategien, um Unbeliebtes durchzusetzen - nennen wir es das Entstehen einer Scheinwelt, die schon breiten Raum im Alltag einnimmt - man denke nur an die "sinkende Arbeitslosigkeit" (dank statistischer Tricksereien) oder an die ständig "steigende Konsumbereitschaft" (bei ständig rückläufigen Einzelhandelsumsätzen).

Diese Scheinwelt scheitert nicht etwa, wenn sie mit der Wirklichkeit zusammenprallt, sondern wird, begleitet von Nebelkerzen, Lobeshymnen und Medientamtam ,ungerührt und unbelehrbar fortgesetzt. Was nützt es, daß es noch aufmerksame Geister gibt, wenn die Expertenrepublik Deutschland nicht interessiert ist? - Jetzt aber zu etwas Ernstem, lieber Leser: bist du expertenfähig?

rufe ich all denjenigen zu, die noch nicht über: "Passivrauchen fordert jährlich 600.000 Todesopfer" gestolpert sind. Es handelt sich um das Ergebnis einer Studie mit Daten aus 192 Staaten, die von E x p e r t e n erstellt wurde. Und in dem Artikel heißt es poetisch: Bei den angegebenen Todesfallzahlen handelt es sich allerdings um Schätzungen. Vor den Terroristen, die uns angeblich mit Bomben überfallen wollen, habe ich keine Angst. Vor den anderen hingegen ...

Margot Käßmann, die mit ihrer Kritik an Afghanistan-Politik und -Krieg manchem zu kess war, ist mit 1,54 Promille Auto gefahren, hat eine rote Ampel ignoriert und wurde von der Polizei angehalten. Und so weiter. Anlaß genug für die Arschgeigen, ein multimediales Konzert zu geben.

Noch bevor ich lesen konnte, schenkte mir eine Verwandte ein bebildertes Kinderbuch, und das hieß "De Want in de Sneeuw" (was ich vor einiger Zeit Eugen unterjubelte) und war, wie man schon ahnt, auf holländisch geschrieben. Wozu hat man Eltern? Muddi mußte mir das immer wieder vorlesen. Die Geschichte stammte aber nicht aus den Niederlanden, sondern aus Rußland bzw. der Sowjetunion. Das war typisch für jene Verwandte, die, nachdem sie die Bombardierung Rotterdams miterlebt hatte, mit fliegenden Fahnen von der Heilsarmee zu den Kommunisten übergelaufen war, die sich selbst ja auch als eine Art Heilsarmee verstanden, so verstehe ich das wenigstens. Die Geschichte war aber sehr schön, und gelegentlich erinnere ich mich ihrer, so auch heute, und da wollte ich herausfinden, ob sie den Weg ins Internet beschritten hat.

Hat sie nicht. Aber Google (Deutschland) fragte mich: "Meinten Sie: we want in de sneeuw". Nein, das meinte ich ganz bestimmt nicht, obwohl ich gerne in den Schnee will.

Mit Interesse habe ich vernommen, daß Berlusconi, der nur deshalb nicht als Erzverbrecher im Knast sitzt, weil es ihm gelang, sich Gesetze maßschneidern zu lassen, von einem "vermutlich psychisch krank"em Mann mit einem Gegenstand beworfen und verletzt wurde. Es sind immer "psychisch krank"e, die Politiker attackieren, oder? Aber welcher Natur mag ihre psychische Erkrankung sein? Ob sie vielleicht ursächlich darunter leiden, in einer Welt aus Lug und Trug leben zu müssen, dem Kinde aus dem Märchen ähnlich, das angesichts des unbekleideten Königs rief, daß dieser keine Kleider trage? Wer weiß. Und dann ist es doch immer wieder merkwürdig, daß die Terroristen sich nicht mal Politiker vorknöpfen, ich mein, wenn ich Terrorist wär ...

 

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