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Kinogeplauder

Wie meist bei Hitchcock ist schwer zu entscheiden, ob es sich um eine Komödie oder eine Kriminal- - oder wie hier - um eine Spionagegeschichte handelt. Da es aber wie meist bei Hitchcock um eine Affäre zwischen Mann und Frau geht, tendiere ich mehr zur Komödie. Die Motive wiederholte Hitchcock in Variationen noch oft in späteren Filmen: der unschuldig des Mordes verdächtigte Mann, das Zueinanderfinden von Mann und Frau, die einander dauernd mißverstehen, die Bedrohung durch Gangster einer- und Polizei andererseits, die Spannung und der Suspense bis zum glücklichen Ende. Oder, wie es Preston Sturges in The Palm Beach Story formulierte: "and they lived happily ever after - or did they?"

Der Mann besucht eine Variete-Show und sieht dort Mister Memory, einen Gedächtniskünstler; Gelegenheit für komische Einlagen. Dann fallen Schüsse, die Menge flüchtet aus dem Theater, eine geheimsvolle Frau bittet ihn um Schutz: sie habe die Schüsse abgegeben, um sich vor Mördern zu retten. In seiner Wohnung beichtet sie, im - bezahlten - Dienst der Krone auf eine Spionageorganisation gestoßen zu sein. Das Haus wird von zwei finsteren Gestalten beobachtet.

In der Nacht, während wir noch auf eine Romanze hoffen, wird sie ermordet. Sehr rätselhaft, dieser Mord. Sie taumelt in sein Schlafzimmer und bricht über seinem Bett zusammen, ein Messer im Rücken. Wurde sie in der Wohnung ermordet? Dann müßten die Mörder sich jetzt auf unseren Helden stürzen. Oder war sie auf die Straße gelaufen in der Hoffnung, den Spionen zu entkommen? Wie hatte sie dann zurückkehren können, ohne daß die Spione ihr folgten? Denn die beiden Finstermänner lauern immer noch draußen. Das wird wohl nie geklärt werden.

Unser Held borgt sich die Kleidung des Milchmannes aus und flieht. Natürlich ist er nun der Tatverdächtige. Der Chef der Spione lebt in Schottland, diesen Hinweis konnte ihm die Tote noch vor dem Ableben geben, und da sitzt er im Zug, und Polizisten inspizieren sämtliche Abteils. Verzweifelt setzt er sich zu einer alleinreisenden Frau und gibt vor, mit ihr zu knutschen. Sie aber ruft den Polizisten zu: Dies ist der Gesuchte. Letzte Rettung ist die Notbremse, und er entkommt.

Und Irrungen und Wirrungen, er läuft dem Oberschurken geradewegs ins Haus, wird an die Polizei ausgeliefert, springt aus dem Fenster des Reviers, taucht unter, wird mit einem Parteiaktivisten verwechselt und muß eine Rede halten, wird ausgerechnet dort von der Frau aus dem Zug wiedererkannt, die sich an die Polizei wendet, das sind aber falsche Polizisten im Dienste des Oberschurken, die Mann und Frau mit Handschellen aneinander fesseln - und so weiter, turbulent und doppelbödig, bis die Frau seine Unschuld sowohl als ihre Liebe zu ihm entdeckt.

Die Spur führt nach London zu einem weiteren Auftritt von Mister Memory, der, nach den 39 Stufen befragt und im Begriff stehend, die Geheimnisse der Spione auszuplaudern - Berufsethos, was er weiß, weiß er eben - erschossen wird, worauf der Oberschurke endlich gefaßt werden kann und Mann und Frau - ja, da endet der Film, in dem so vieles so rasant passiert, daß man ihn gar nicht erzählen kann. Großes Kino, kann man nur sagen, aufregende Komödie, und: ein klassischer Fall von Hitchcock.

Endlich habe ich einen Film mit Zsazsa Gabor gesehen. Jedenfalls in dem Bewußtsein, daß Zsazsa Gabor mitspielt. Und wie! Aber der Reihe nach.

John Huston hat tolle File gemacht; man erinnert sich hoffentlich an "Der Malteser Falke" (Hammet), "Der Schatz der Sierra Madre" (Traven) und "Moby Dick" (Melville), nicht zu vergessen "Die Büchse der Pandora" (ja, wie hieß noch der Autor dieser Mike-Hammer-Reißer?). Aber auch bei "Moulin Rouge" von 1952 hat er Regie geführt und am Drehbuch mitgewirkt.

Tricktechnik war früher Matte Painting, Mehrfachbelichtung, Spiegel und alles, was einfach umzusetzen war und Phantasie erforderte; in "Moulin Rouge" genügte es, den Darsteller des Malers Henri Toulouse-Lautrec auf die Knie zu stellen oder seine Gegenüber auf Plattformen, um die verkürzten Beine glaubhaft zu machen. In "Moulin Rouge" geht es mehr nebenbei um die Kunst, obwohl diese in durchdachten Montagen durchaus zu ihrem Recht kommt; im Mittelpunkt stehen die zwei unglücklichen Lieben von Toulouse-Lautrec und seine Sehnsucht nach Liebe, die aus Enttäuschung in Trunksucht mündet.

Und was ist mit Zsazsa Gabor? Ganz einfach. Sie verkörpert im Film die Sängerin/Tänzerin Jane Avril mit schwülstigen Gesten und ebensolchem Gesang. Das mag der historischen Person entsprechen, aber ich habe den Verdacht, daß Zsazsa Gabor vor allem sich selbst spielt. Und ihr Spiel ist die Stanze für alle Travestiekünstler und alles Schwuchtelgehabe in Reinkultur. In Zukunft werde ich keiner Tunte mehr begegnen können, ohne die Gabor vor mir zu sehen. Nur - inwieweit ist sie das Original, inwieweit ist sie schwulen Zeitgenossen von damals nachempfunden?

Tatsache ist, daß ich sie mit ihren gefühlten hunderttausend Ehen immer schon als schwulen Kitsch empfunden habe, sogar noch bevor ich überhaupt wußte, was das bedeutet. Sagen wir, es ist unecht, aber amüsant, solange die betreffende Person weiß, daß es gespielt ist. Wenn es gut gespielt ist. Dann ziehe ich den Hut - und biete ihr einen Cognac an, als Dicki Toloose-Lautrec.

Schon wieder Weihnachten! Wieso geht das in letzter Zeit immer so schnell? Da kommt man kaum noch mit; als säßen wir alle miteinander im Teilchenbeschleuniger des CERN und würden angetrieben, angetrieben, angetrieben - bis zum simulierten Urknall, bei dem uns Hören und Sehen vergeht. Wie dem auch sei, auf meiner diesjährigen Wunschliste stand "Der große Blonde mit dem schwarzen Schuh", ich habe ihn endlich wiedergesehen, und gemessen an meinen Erinnerungen war er fade. Zeit, dachte ich, einmal meine Lieblingsfilme zu benennen.

Das ist nicht ganz einfach, denn es gibt unter den zig Millionen Filmen der letzten 110 Jahre tausende guter, aber da mein Geschmack entscheidet und nicht irgendwelche objektiven oder pseudo-objektiven Kategorien, sollte es wohl möglich sein. Nehmen wir zum Beispiel das Western-Genre, und ich greife ein paar Vertreter heraus: Warlock, Zwei glorreiche Halunken, Stagecoach, Vera Cruz, Lockende Versuchung, Rio Bravo/Eldorado; die haben allesamt ihre Stärken. Dennoch bleibt für mich "Zwölf Uhr Mittags" der beste Western, weil er soviel mehr über Menschen erzählt als all die anderen.

Oder Komödien. Da nenne ich gleich gar keine Beispiele, weil es zuviele wären, die mich aus diesem und jenem Grund beeindrucken. Die beste aber bleibt für mich "Leoparden küßt man nicht", weil sie unschuldiges Vergnügen ohne Brüche bedeutet. Aber, werdet ihr sagen, was ist damit, und damit? Recht habt ihr, alles richtig, große Filme, stellen mich aber nicht im selben Maße zufrieden.

Oder Gangsterfilme, meinetwegen auch Krimis: Der Malteser Falke. Und so weiter und so fort. Sind doch alles nur Schubladen, und letztlich sind es immer Menschen und menschliche Schicksale, die uns bewegen, und interessante Bilder, die unsere Schaulust befriedigen.

Zurück zum Thema Weihnachten. Unausweichlich muß hier "Ist das Leben nicht schön" genannt werden, weil er so hinreißend plakativ eine bessere Welt beschwört; ein modernes Märchen, das nie verfehlt, mich zu Tränen zu rühren. Was nicht zuletzt an der Darstellung von James Stewart liegt. Womit ich zu Schauspielern komme. Oder lieber doch nicht: es gibt sie ja nicht mehr, die Gentlemen und die Ladies, die das Filmgeschäft dominierten. Damen und Herren, die Sinnlichkeit verkörpern konnten, ohne sich auch nur einer Krawatte oder eines Hutes entledigen zu müssen (und zu dürfen), und die Persönlichkeiten hatten, die heute gar nicht mehr erlaubt wären.

Also lassen wir es dabei. Erfreut euch an euren Lieblingsfilmen, erfreut euch überhaupt der schönen Seiten des Lebens, und laßt eure Mitmenschen an der Freude teilhaben. Frohe Weihnacht!

Ein reißerischer Titel, im spanischen Original heißt der Film schlicht "Reinas", also Köni-ginnen, bzw. Herrsche-rinnen oder auch Regen-tinnen (nicht zu verwechseln mit Regen-tonnen). Aus der Flut schwuler und angeschwulter Optimismus-Filme picke ich diesen heraus, weil er außer Drama, Oberflächlichkeit und heiler-Welt-Ende ein ausgezeichnetes und funktionierendes Drehbuch hat: drei schwule Paare und deren Elternteile werden am Wochenende der ersten legalen Schwulenhochzeit in Spanien begleitet, durcheinandergewirbelt und vereint, in geschickten Rückblenden ebenso wie in (mehr oder minder) komischen Szenen.

Wie immer man diesen Film beurteilt, der Anfang ist schon mal interessant. Die Kamera fährt durch den Gang eines Großraumabteils in einem dieser Hochgeschwindigkeitszüge. ER betrachtet SIE, SIE liest schmachtend in einem Buch, inszeniert das Fallenlassen desselben, die Frau neben IHM - seine Gattin? - scheint den Braten zu riechen. SIE geht zur Toilette, er folgt ihr, das liegengebliebende Handy schnurrt, die - mögliche - Gattin nimmt den Anruf an. Es ist der schwule Sohn, und die Fremde - wie sich nun herausstellt - betätigt sich durch die Klotür als Mittlerin zwischen Sohn und vögelnder Mutter.

Und so weiter, ein bunter Reigen menschlicher Irrungen und Wirrungen im Zeitalter des anything-goes, unterhaltsam und flott und konform im Glauben, nonkonformistisch zu sein. Letzten Endes schmeißen die Mütter (und ein Vater) den Laden und lenken ihre Bälger in die (seien wir ehrlich: als überflüssig empfundene) Homo-Ehe. Mich haben dabei Carmen Maura und Marisa Paredes beeindruckt. Marisa, fand ich überrascht heraus, ist ein Jahr jünger als Carmen, wirkt aber mindestens zehn Jahre älter. Das hat mich geärgert.

Wie man seinen Star inszeniert, hat Pedro Almodovar vorgemacht (nach hunderten Vorbildern, natürlich). In "Alles über meine Mutter", ein paar Jahre zuvor gedreht, wird Marisa Paredes von ihren besten Seiten gezeigt, und ich habe nicht vergessen, wie ich damals nach dem Kinobesuch dachte: was für ein Gesicht, markantes Profil, scharfgeschnittene Züge, Donnerwetter noch eins! Und sie darf eine unglücklich verliebte Theaterschauspielerin sein, voller Besorgnis, Herz und Mitgefühl. Aber auch jener Film bleibt trotz aller Tränen an der Oberfläche, und das ist das Charakteristikum all dieser schwulen und angeschwulten Filme; am Schluß gibt es ein heile-Welt-Ende.

Immerhin, ein Ende. Das ist realistisch.

bzw. "Schwere Colts in zarten Händen", wie es die deutsche Version will. Wir sind uns einig, daß Musicals Scheiße sind, aber wir wissen auch, daß ein guter Schauspieler einen mittelmäßigen, sogar einen mäßigen Film sehenswert machen kann. Calamity Jane ist ein schönes Beispiel dafür.

Doris Day ist der Star (bevor sie ein großer Star wurde), und als pistolenschwingender, prahlender Wildfang in Männerkleidung macht sie die erste halbe Stunde zu einem Vergnügen. Die Story ist in Ungefähr "Was ihr wollt" im Wilden Westen. Wie hat man sich das vorzustellen? In etwa so:

Der Saloonbesitzer von Deadwood, Dakota, kündigt eine Miss Frances Frye an, die sich als Mister Francis Frye entpuppt. Der Versuch, ihn als Frau auftreten zu lassen, mißlingt entlang der gängigen Klischees. Bevor es zu Ausschreitungen des Publikums kommt, gibt Calamity Jane (also Doris Day) ihr Wort, daß bereits eine berühmte Schauspielerin zugesagt habe, im Saloon in Deadwood aufzutreten, und der Besitzer dadurch alle Enttäuschten zufriedenstellen werde. Die einzige Schauspielerin, von der Jane weiß, ist die vergötterte Poseurin für Zigarettenpackungssammelbildchen, die zur Zeit in Chicago, Illinois, gastiert. Jane reist hin und bringt - keine Komödie ohne Verwechslung - die Garderobiere der Berühmtheit, die von Auftritten träumt, mit sich zurück nach Deadwood. Wild Bill Hickok, langjähriger Freund Calamitys, und ein fescher Leutnant, Traummann Janes, verlieben sich auf den ersten Blick in den vermeintlichen Star.

Ich persönlich mag es sehr, wenn sich eine wirkliche Dame zu Vulgaritäten ermannen kann, aber hier erleben wir, wie eine rauhe, vermeintlich vulgäre Frau, sich zur Dame wandelt. Nun, wenn es denn schon sein muß, dann bitte mit Doris Day, die im Verlauf dieses Films alle Register ihrer Stimme zieht. Aber außer der Freundschaft der beiden Frauen passiert eigentlich nichts Bewegendes mehr. Jane kriegt Bill, die Ex-Garderobiere den Leutnant, das alles geschieht unter Absonderung diverser Lieder: eben ein Scheiß-Musical - wenn da nicht Doris Day wäre. Klingt das wie eine Liebeserklärung? Hoffentlich, denn es soll eine sein. Großer Kit Großes Kino.

Jawohl, John Wayne. Fangen wir mal bei seiner Figur an: der hatte in keinem Film passende Kleidung an, sah immer aus wie so ein Klob, von Johnny Ringo (Stagecoach) über John T. Chance (Rio Bravo) und Sean JawieheißtdereigentlichmitNachnamen (Hatari!) bis Rooster Cogburn (Rooster Cogburn oder so). Völlig iben und verbumfeit. Umgekrempelte Hosenbeine, Hosenträger, Halstücher wie Galgenstricke, unförmige Jacken, doppelt geknöpfte Hemden, und alles in absolut verbotenen Farben.

Dann hat er sich immer in den Vertrag reinschreiben lassen, daß er erstens der Gute ist, auch und gerade dann, wenn er eher zweifelhaft war, daß er zweitens immer das attraktivste Mädchen erobert (Ausnahme Katherine Hepburn im beginnenden Greisenalter, aber da stand er selbst auch schon mit einem Bein unter der Erde). Und zwar sind ihm die Frauen verfallen und mußten ihn erobern. Damit hatten sie alle Hände voll zu tun, denn er wollte gar nichts von ihnen wissen: aus Angst! Drittens mußte er wenigstens den entscheidenden, am besten aber jeden Gunfight gewinnen. Hat seine Kanone irgendwie in die Gegend gehalten, Bumm, wieder ein Bösewicht tot. Beim Film regelt man das durch den Schnitt.

Das geht so. Erste Einstellung: Bösewicht fuchtelt mit Gewehr oder Pistole. Gegenschuß: John Wayne kneift die Augen zusammen, bleibt ansonsten cool. Dritte Einstellung: Bösewicht krümmt den Finger am Abzug. Gegenschuß: John Wayne springt in Deckung oder schießt sofort. Fünfte Einstellung: Bösewicht wird getroffen, meistens tödlich.

Die Frauengeschichten sind auch ne Schau, so ne richtige Vaddi-Schau. Brummbär John Wayne, verliebt bis in die Haarspitzen, gibt keinerlei Gefühl zu erkennen. Das macht die Teile wild, jetzt müssen sie ihn unbedingt haben und kehren das unterste zu oberst, um ihn für sich einzunehmen. Und wenn er sie dann kirre gemacht hat, gibts vielleicht nen hübsch anzusehenden Filmkuß, aber noch immer kein als von Herzen kommend erkennbares Gefühl, ganz wie im richtigen Leben.

John Wayne, der manch plakativen Spaß erduldet hat, z.B. eine Schüssel voll Ziegenmilch über den Kopf (Hatari!), ohne zu murren, hat nie als Schauspieler geglänzt. Aber er war ne Type. Und eine wandelnde Komödie, wenn man den passenden Sinn für Humor hat. Und den muß man haben, sonst rennt man schreiend aus dem Kino. Aus dem ganz großen Kino, wie gesagt werden muß.

Der Regisseur (und Drehbuchautor) Preston Sturges war gut darin, schnell und mit Bildern zu erzählen, und die erste Hälfte des Films geht es Schlag auf Schlag; berühmter Regisseur namens Sullivan will einen Film über Armut drehen, war aber immer auf Rosen gebettet. Also begibt er sich unter die Armen, landet aber immer wieder schnell daheim. Verflixtes Pech oder gütige Vorsehung? Dazu später, wenn es um die zweite Hälfte des Films geht.

Sullivan wird von Joel McCrea gespielt; zuverlässig, solide, gekonnt, komisch - aber ohne die Persönlichkeit, die wir an den Stars der ersten Reihe schätzen. Macht nichts, die Story und die Geschehnisse tragen ihn durch den Film. Sullivan ist keine Charakterrolle, da ist McCrea schon der Richtige. Unterwegs lernt er Veronica Lake kennen (als noch vor der Besetzung gescheiterte Schauspielerin) und ganz allmählich lieben, und auch ich habe sie lieben gelernt. An und für sich ist die Lake eine Barbie-Vorgängerin: unpersönliches Gesicht, goldgewelltes Haar, gehudelt, gebudelt und geschnudelt. Sobald sie nicht wie ein Möchtegern-Vamp herumschwirrt, sondern als Tramp verkleidet ist, zeigt sie ein komisches Talent, daß sie besser öfter hätte herauslassen sollen, statt Veronica Lake sein zu wollen.

In der zweiten Hälfte des Films sehen wir echtes Elend, als Sullivan nach beendeten Studien ein paar Geldscheine unter den Tramps verteilt, denn einer der Armen überfällt ihn, raubt ihn aus und wird als "Sullivan" von einem Zug überfahren. Der echte Sullivan erwacht nach dem Überfall auf einem Güterbahnhof, schlägt einen Bahnbeamten nieder und wird zu sechs Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Die Häftlinge dürfen eine Filmvorführung in einer "schwarzen" Gemeinde besuchen. Der Prediger stimmt "Let my people go" an, die Gemeinde fällt ein, und während der zweiten Strophe kommen die Häftlinge in Fußketten den Weg zur Kirche marschiert und zwischen den Sitztbänken hindurch zu ihren Plätzen: Let my people go. Gezeigt wird ein Disney-Film mit dem Hund Pluto als komische Hauptfigur. Sullivan will nicht lachen, aber er kann nicht anders, und seine Mithäftlinge, ebenso wie die Gemeinde, lachen sowieso.

Schließlich kommt Sullivan frei. Als er, zu Beginn des Films, seinem Butler stolz verkündete, er wolle sich unter die Armen mischen, sie studieren, und einen Film über sie und für sie drehen, sagte der Butler, das sei eine schlechte Idee: "Die Armen wissen alles darüber und die Reichen interessieren sich nicht für die Armut." Er wisse soviel darüber, ob er die Armut studiert habe? "Ganz unfreiwillig, Sir."

Zu guter Letzt läßt Sullivan sein Filmprojekt fallen; er wolle lieber eine Komödie drehen. Und wir begreifen (falls wir es noch nicht gewußt haben sollten), daß Lachen ein großes Geschenk ist, besonders wenn du gar nichts hast. - McCrea bekommt die Lake, die jetzt wieder Veronica Lake enttäuschend ähnlich sieht. Und wenn sie nicht gestorben sind, fährt immer noch die Bürste durch das goldgewellte Haar.

"Was ist bloß mit meinem Sohn los?" - "Er ist über das Sofa gestolpert." - "Eben, das Sofa steht dort seit zwanzig Jahren!" ("The Lady Eve", 1941)

Wer ist der Trottel? Einige Beispiele. a) ein Millionenerbe, der sich ausgerechnet in eine Kartenbetrügerin verliebt (The Lady Eve). b) ein stellungsloser Reporter, der sich nicht traut, eine reiche junge Dame zu lieben, der er bei der Flucht von ihrem Vater zu ihrem auserwählten Taugenichts hilft (It happened one night). c) ein zerstreuter Professor, der von einer heftig in ihn verliebten Frau aus gutem Hause heimgesucht wird (Bringing up Baby). d) ein Filmregisseur, der bei den - hm, realitätsnahen - Recherchen für sein großes Sozialdrama einer gescheiterten Schauspielerin begegnet und verfällt (Sullivan's Travels).

Und wer ist die Frau, mit der dieser Trottel im happy end landet? Einige Beispiele. e) eine Frau im Abendkleid, die nach einer Pechsträhne an den Spieltischen Monte Carlos mittellos in Paris strandet (Midnight). f) eine sowjetische Politkommissarin, die aus der Kälte kam und im Frühling in Paris restlos auftaut (Ninotchka). g) eine wegen einer autopannenbedingten Nacht mit einem Charmeur geschiedene Frau, die ihren Ehemann zurückerobern will (The awful truth). h) die ihren Ehemann finanziell entlasten wollende Frau, die auf der Flucht vor dem sie mißverstehenden Eifersüchtigen von der Traufe in die Jauche gerät (The Palm Beach Story).

Damit sind einige der klassischen Filmkomödien Hollywoods aus den dreißiger und vierziger Jahren benannt. Screwball Comedy hieß das Genre, und die komischen Szenen in Hitchcocks Thrillern (z.B. The Thirtynine Steps, The Lady Vanishes, Rear Window, To catch a thief) sind ebenso ein Echo wie "What's up, Doc" von Peter Bogdanovich ("The daffy dame meets the mad professor"), aber auch der deutsche Film "Drei Männer im Schnee" (1955), der ohne eine gewisse Süßlichkeit und mit einer etwas besseren Besetzung (Claus Biederstädt, der Name sagt es!) den Hollywoodkomödien ebenbürtig wäre.

Was macht eine gute Komödie aus, abgesehen von der erotischen Ausgangssituation (an deren Nichtvorhandensein Steven Spielbergs turbulenter Klamauk "1941" gescheitert ist)? Erstens die Beachtung des für alle Kunst geltenden elften Gebots: du sollst nicht langweilen. Zweitens Tempo, was das Erzählen durch Bilder als auch sich überlappende Dialoge betrifft. Drittens verrückte Situationen und absurde Dialoge. Viertens Mißverständnisse und Verwechslungen. Fünftens die Besetzung interessanter Nebenrollen mit Charakterschauspielern. Sechstens Shakespeare, Shakespeare und siebtens Shakespeare, denn bei ihm kommt alles schon exemplarisch vor, was im elizabethanischen England überhaupt auf die Theaterbühne gebracht werden konnte, vergleiche A Midsummer Night's Dream. "Dat's ganz 'n Groten" schrieb Arno Schmidt, zitierte damit aus einer seiner Übersetzungen John Fennimore Coopers, meinte sich selbst und dachte auch in der mittesten Sommernacht im Traum nicht an Shakespeare.

Hand auf's Herz - ich hasse diesen Film. Ich hasse ihn, weil ich Musicals hasse erstens, hasse ihn, weil ich Hollywood-Musicals hasse zweitens, hasse ihn, weil ich dick aufgetragen überzeichnete Hollywood-Movies hasse drittens. Klischees en masse!

Und was da alles nicht stimmt: Bonbonfarben in einem Streifen über Schwarzweißfilme, das Stummfilmstarlet hat eine gar zu qüäkige Stimme, ist gar zu dumm und gar zu gemein, das nicht ganz häßliche Entlein mit der wohlklingenden Tonfilmstimme ist gar zu unschuldig und selbstlos, alle Schlüsselszenen sind als Sing- und Tanzszenen angelegt und ausgeführt - mit einem Wort: abgeschmackt! - Und doch stimmt das irgendwie alles.

Tief im Herzen wissen wir, daß auf dem Grund all dieser Schubladen ein Körnchen Wahrheit liegt. Und sind uns nicht bewegende Augenblicke des Lebens Musik und Tanz, empfinden wir nicht selbst im Hass schmetternde Dissonanzen und zuckende Verrenkungen, erst recht im Glück das Bedürfnis zum Tanz zu einer sehnsuchtsvollen Musik? Natürlich.

Und während man sich angewidert im (Kino)Sessel windet, bewundert man doch die Akkuratesse und Virtousität der Akteure, allen voran Geert Wilders' Billy Wilders Gene Wilders Gene Kellys. Das Glanzstück ist aber Make 'em laugh von Donald O'Connor, so albern, übertrieben und showmanlike, daß man es schon wieder gut finden muß, eine tour de force des schlechten Geschmacks. So komme ich nun zum Schluß und spreche milde lächelnd das einzig gültige Schlußwort, das mein Verhältnis zu diesem Klassiker ausdrücken kann: Haßliebe, just dancin' and singin' in the rain. Daß der Film 1952 praktisch ein Flop gewesen ist, wundert mich überhaupt nicht.

Mein Jodie-Foster-Filmbuch ist erstens alt und zweitens ein bißchen meschugge (so wie wir alle schon sind oder noch werden), aber es stehen auch ein paar hübsche Sätze darin. Dazu gleich. Zunächst ein Zitat von Jodie herself, über ihre Besuche bei einem "Seelenklempner", bevor sie die Rolle der Iris, einer dreizehnjährigen Nutte nämlich, in dem Film Taxi Driver spielen durfte. "Er fragte mich nach meinen Lieblingsspeisen und ob ich einmal heiraten wolle. Ich sagte, nicht mit dreizehn." Dazu paßt ein Satz des Jodie-Foster-Filmbuchautors: "Der Film beginnt mit einer alles Lebendige bedrohenden giftigen Abgaswolke, die aus Gullys und Autoauspuffrohren austritt - Symbol für die reale, aber auch psychologische Umweltverschmutzung unserer Gegenwart." Wer wollte ihm da widersprechen. Richtig blumig wird er aber, sobald es um Jodie herself geht: "Sie glänzte in der Figur einer hinreißenden Kindfrau, die kein Kind mehr ist und auch noch keine vollerblühte Frau."

 

twoday.net AGB

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