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Nachtgesaenge

Dreimal schaue ich hin um mich zu vergewissern, daß ich keiner Täuschung erlegen bin, doch der Satz steht wirklich da, in der neuen EMMA, schwarz auf weiß: "Deutschland ist vermutlich das einzige Land, in dem nicht in der Landessprache protestiert wird." Das stimmt, denke ich, aber es stimmt auch wieder nicht. Es stimmt, wenn es auf die "linke Szene", die seit 50 Jahren an den Universitäten und in deren Umfeld zuhause ist, bezogen wird, und es ist ein Symptom der Sprachunfähigkeit dieser Szene. Es gibt aber auch eine "rechte Szene", und die protestiert durchaus in der Landessprache. Der zitierte Satz läßt also die Interpretation zu, Proteste von "Rechten" seien - im Gegensatz zu denen der "Linken" - keine Proteste, sondern - tja, was eigentlich? Ich weiß es nicht.

Ich weiß auch nicht, ob irgendjemand aus dem "linken Szene" mal das Parteiprogramm der NPD studiert hat, mir fällt aber auf, daß sich das Adjektiv rechtsextrem eingebürgert hat (wo noch nicht pauschal "Nazis" gesagt wird), ohne daß jemals von einer Verfassungsfeindlichkeit dieser Partei die Rede ist. Trotzdem soll die NPD als verfassungsfeindlich verboten werden? Es steht zu befürchten, daß damit ein Präzedenzfall geschaffen werden soll, und das Verbotsurteil die Stanze sein wird, um künftig alles und jeden verbieten zu können, der sich nicht anpasst und in den Wirtschaftsfaschismus integriert. Die "linke Szene" wird das erst begreifen, wenn es zu spät ist - falls überhaupt.

Wegen dieser und anderer Dumm- und Blindheit begreife ich mich nicht mehr als Linker. Die "linke Szene" ist zum Tummelplatz für Fanatiker geworden, und sie macht weiterhin keine Anstalten, diese Irren als Irre zu brandmarken: z.B. Veganer, Transhumanisten, Pro-Islamisten, Antideutsche und die radikale "Antifa"; manche sind das alles in Personalunion. Und doch gelten sie auch irgendwie als Linke. Munter wird gegendert, von Whiteness und People of Colour geschwätzt, und werden überall Rassismen entdeckt; Rauchverbote werden unterstützt, aber auf ihren PKW wollen sie nicht verzichten; die Kirche wird angefeindet, aber sie glauben an ein Paradies auf Erden. Eines hoffentlich sehr fernen Tages werden sie eine paramilitärische antiracism enforcement group ins Leben rufen, um dem NSU eine AEG entgegenzustellen.

Von solchen Gedanken ist die EMMA noch weit entfernt, aber daß sie einige Phänomene benennt, ist eine gute Sache. Schließen will ich mit einer Erkenntnis über die Inquisition: wer sich zuviel mit dem Teufel beschäftigt, wird über kurz oder lang dessen Werk tun. - Und dies noch: heute ist der Pöbel "Anti", weil "Pro" einfach nicht mehr salonfähig ist; das haben sie in der Schule gelernt. "Anti" ist dabei, mainstream zu werden. Und dann gnade uns Gott.

Die Ouvertüre nimmt das Ende der Welt als planetaren Liebesakt vorweg. Zu 'Tristan und Isolde' verschluckt der riesige Planet die Erde so lustvoll, dass es Stanley Kubrick gefallen hätte. "Lustvoll"? Ich krieg n Schluckauf!

Die Macherinnen der EMMA haben dieselben Probleme wie die 68er und deren Erben: erstens sind sie Kulturbanausen, und zweitens legen sie eine Schablone an die Welt an, die von ihren eigenen Familienproblemen geprägt ist. Weiter will ich darauf nicht eingehen; ich füge aber hinzu, daß ein Kunstwerk nur von jenen verstanden wird, die "etwas dazu zu tun" haben, keinesfalls von Konsumenten; denn die sehen nur mit den Augen, hören nur mit den Ohren und nehmen überall nur die Oberfläche wahr.

Der Vorspann - Ouverture - von "Melancholia" enthält schon die meisten phantastischen Bilder und stellt sofort klar, daß es sich nicht um Unterhaltungskino handelt. Ich werde an die experimentellen deutschen Filme der frühen 70er erinnert, deren Geschichten ich nie richtig verstand, die aber eindrucksvolle Bilder zeigten.

Die EMMA läßt eine Kritikerin Lars von Triers zu Wort kommen, welche allerlei über die Frauen in von Triers Filmen behauptet. Und die beiden Schwestern in Melancholia? Die eine begegnet der Wirklichkeit tieftraurig, die andere voller Angst. Der Mann hingegen sagt, die Wissenschaft irre nicht, also die wahre Wissenschaft, und der Planet Melancholia werde die Erde passieren, ohne Schaden anzurichten.

Wie es sich für Zwangsoptimisten gehört, wählt er den Tod, als seine Welt zusammenbricht. Die miesepetrige Frau, die nicht einmal der Hochzeit mit dem geliebten Mann Glücklichkeit abgewinnen konnte, hat die Kraft, ihrer verängstigten Schwester und deren Kind in den letzten Minuten Trost zu spenden.

Seltsam, daß eine Kulturkritikerin solch simple Aussage nicht erkennen kann und stattdessen von Trier alle Frauenverachtung der Welt andichtet. Liebe Kulturkritikerin, sage doch einmal, welche Verachtung du erleiden mußtest; bestimmt wird es dich erleichtern, für die wirklichen Übel in deinem Leben bedauert zu werden. Und beantworte mir bitte eine Frage: woher nimmst du die Gewißheit, daß die Kollision von Erde und Melancholia als "lustvolles Verschlucken" gezeigt wird? Das klingt nach einem Blowjob; den gibt es aber nur in deiner Wahrnehmung.

Was wirst du tun, was wirst du fühlen, wenn Melancholia kommt?

What Can the Social Sciences Contribute to Peace? [in einer neuen Weltordnung, mit Weltgesetzen, einer Weltpolizei und einer Weltregierung] fragte Henry A. Murray 1951 im Titel seiner Buchveröffentlichung, auf deren Titelblatt der Hinweis steht: including America's Mission. "Die Vereinigten Staaten sind die Abstraktion der One World, die jetzt ihrer Erschaffung entgegensieht. Das Los ist auf die USA gefallen, die Führerschaft bei der Durchführung dieses letzten und schwierigsten Experiments zu übernehmen; einem globalen Feldzug des Guten gegen das Böse. Indem wir uns völlig einer Weltregierung verpflichten, erquicken wir die Herzen aller Menschen auf der Erde mit der Aussicht auf Sicherheit, die dem Zauber jedweder Art von Totalitarismus entgegenwirken kann. Der nationale Mensch ist obsolet und muß in einen Weltmenschen verwandelt werden."

Da frag ich mal ganz naiv: wollten nicht auch die Nazis einen neuen Menschen schaffen, eine Weltregierung errichten, meinten sie nicht auch die Führerschaft in einem letzten und schwierigsten Experiment antreten zu müssen, unternahmen nicht auch sie einen globalen Feldzug des Guten gegen das Böse (Überlebenskampf des deutschen Volkes, Vernichtung der jüdisch-bolschewistischen Weltverschwörung)?

Wie aber kann er, der nationale, als obsolet apostrophierte Mensch in einen Weltmenschen verwandelt werden. Nun, the answer my friend is blowin' in the wind; also beginnt das Heer der Sozio- und Psycho-, nein, nicht -pathen, sondern -logen, fröhlich mit den Menschen alter Machart zu experimentieren. Die CIA fördert und begleitet diverse Programme, beispielsweise die Erforschung von Techniken zur Zerstörung und Auslöschung einer Persönlichkeit, um auf einer tabula rasa das gewünschte neue Bewußtsein zu implementieren (beschrieben in Naomi Kleins Buch "Die Schockstrategie"); Murray verabreicht seinen Versuchspersonen LSD und beobachtet deren Verhalten unter Stress (unter seiner Anleitung wird Timothy Leary, mit freundlicher Unterstützung der CIA, zum LSD-Professor).

Immer wieder lebt ein von den Erkenntnissen der Naturforscher längst überholtes und dem gesunden Menschenverstand nicht vermittelbares mechanistisches Menschenbild auf, und immer kommt es Hand in Hand mit einer bipolaren Weltauffassung daher: das Gute kämpft gegen das Böse; das Böse ist außerhalb der Guten, es ist personifizierbar, und es muß ausgelöscht werden, ob
Menschen dazu umprogrammiert oder umgebracht werden müssen. Daran mußte ich heute morgen schon einmal denken, als ich las, es werde das öffentliche Aufhängen des Massenmörders Breivik gefordert. Das ist spektakulär, macht ein gutes Gewissen, und vertreibt für den Augenblick das Böse in uns selbst, das wir nicht in unsere Perönlichkeit integriert haben. Kehrt es zurück, müssen wir eben wieder ein personifiziertes Böses vernichten.

Die Menschheit, die geistige, kultivierte Menschheit, hat dieses und viele andere Übel längst erkannt, doch alle Konzepte zur Veränbderung, menschenfreundliche wie -feindliche sind gescheitert, beginnend (um irgendwo einen Anfang zu finden, der uns heute noch nahe ist) mit der Aufklärung, die den Menschen (vulgär jeden Menschen) für dem Wesen nach gut hielt; da war die katholische Kirche weiser und aus Weisheit pragmatisch (ich rede von ihrer Lehre, nicht von Pfründen, Pfaffen und Machtanspruch; von den zehn Geboten, der Messe, der Beichte, der Caritas und dem Evangelium). Die französische Revolution rief ein Zeitalter der Vernunft aus, und richtete vom Sturm auf die Bastille 1789 bis zum Sturz der Jakobiner 1795 ein Blutbad an, das sich dennoch harmlos ausnimmt verglichen mit dem Blutzoll der napoleonischen Kriege. Wirtschaftsliberalimus, Marxismus, Faschismus, Kommunismus, Psychotherapie - alles Kinder der Aufklärung einerseits und der Industrialisierung andererseits, haben uns immer tiefer in die Scheiße geritten, die europäische Kultur ist längst in das Stadium der Dekadenz und des Verfalls eingetreten. Die Industrialisierung hat ein menschenfeindliches Umfeld geschaffen, an das sich der neue Mensch anpassen kann und anpaßt, der althergebrachte, beseelte Mensch kann es nicht und wird als Betriebsstörung beseitigt; das ist die Gesetzmäßigkeit der Evolution, ob es uns gefällt oder nicht, wir sind in diesem Sinne die Neandertaler der Moderne.

Alles Geistige ist vom Leben hervorgebracht worden, ist Teil des Lebendigen, irdisches Abbild einer Eigenschaft dieser Welt (oder des Göttlichen, je nachdem, wie man es betrachtet). Maschinen sind leb-, also auch geistlos. Solange sie funktionieren, sind sie nützlich. Dieser Maßstab gilt seit Beginn der Industrialisierung zunehmend für Menschen, und es zerbrechen Viele daran. Manche zerstören sich selbst, viele werden aufgerieben, manche laufen Amok. Wie auch immer, eine Zukunft haben wir nicht; die Menschheit ist passé.

{Henry A. Murray zitiert nach "Das Netz", ein Film von Lutz Dammbeck. Den Hinweis darauf verdanke ich - mit Verbeugung - quirinus]

Daß nun auch die Nachdenkseiten über das Wetter reden, ist erfreulich, und es stimmt, daß ganz normales Winterwetter zunehmend in den Medien als Katastrophe dargestellt wird. Doch ist es richtig, diesen Vorgang als Manipulation zu verstehen?

Früher war der Begriff Naturkatastrophe auf extreme Phänomene beschränkt, zum Beispiel Lawinen, Sturmflut, Erdbeben, Vulkanausbruch, sofern sie schädigend auf viele Menschen einwirkten. Heute, und das ist keineswegs auf die Medien beschränkt, sondern drückt ein gewandeltes Verhältnis zur Natur aus, wird die Natur insgesamt als Katastrophe empfunden; geduldet, wo sie eingedämmt, umzäunt und verwaltet wird, aber auch dann noch nicht vertrauenswürdig, denn Mutter Natur steht für alle unkontrollierbare Lebendigkeit.

Damit können sie aber nichts anfangen, die von Maschinenwesen träumen, von stringenten Abläufen in der Gesellschaft, von Benutz- und Verfügbarkeit aller jederzeit, mit unkontrollierbarer Lebendigkeit, wohl weil ihnen Kontrolle und Funktion die Mechanik des Weltgefügs ist und Lebendigkeit im günstigsten Fall ein Störfaktor, eigentlich aber eine Bedrohung, wie sie seit frühen Kindertagen wissen, wenn die anderen Kinder sich gegen sie zusammentaten und wüste Beschuldigungen und Beschimpfungen vorbrachten, die Scheinheiligen, die hätten es doch auch nicht anders gemacht, Gier und Geiz müssen sein, sonst wird einem alles weggenommen von den Schmarotzern.

Die Krankheit der Menschheit insgesamt kann man daran ablesen, wie sehr sie - mindestens im Bezug auf die Natur - dem Weltbild der Seelenlosen und Unintelligenten folgt. Aus zweihundertfünfzig Jahren Rumgemurkse, auch als industrielle Revolution bekannt, wird keine andere Erkenntnis zugelassen, als daß eine Welt ohne (moderne) Technik nicht vorstellbar ist - und damit ist das Problem auf den Punkt gebracht: eine Umkehr ist nicht vorstellbar. Wir fahren also immer schneller in dieser Sackgasse, bis





Daß die Freiheit des einen dort endet, wo die Freiheit des anderen eingeschränkt wird, ist eine aus Vernunft und Einsicht geborene Weisheit und sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Denn wenn dem nicht so wäre, geriete Freiheit zur Machtfrage, und der jeweils Stärkere setzte seine Freiheit gegen andere durch, zu deren Last und Schaden. Genau das scheint allmählich Normalität zu werden, vielleicht deshalb, weil für immer mehr Menschen Freiheit zur Abwesenheit jeglicher Einschränkung ihrer selbst verkommen ist. Mir ist aber auch klar, daß solche Leute in der Vorstellung leben, sie kämen immer und grundsätzlich zu kurz.

Doch weshalb so allgemein, ich konnte das heute morgen zweimal ganz konkret erleben. Als erstes näherte ich mich einer Mutter mit drei Kindern (die alle etwa dreijährig, also vermutlich nicht alle die ihren waren). Sie ging rechts, links von ihr, sich alle an den Händen haltend, die drei Lütten. Niedlich! Aber leider auch den gemeinsamen Rad- und Gehweg in voller Breite nutzend. Also klingelte ich rechtzeitig, um der Frau zu signalisieren, daß der Platz knapp ist und ihr Gelegenheit zu geben, ihre Schützlinge ein wenig enger an sich zu nehmen. Glücklicherweise ließ die Stelle der Begegnung Raum zum Ausweichen, und ich umkurvte die Gruppe. Das war notwendig, denn statt auch nur einen Millimeter Platz zu machen, rief die Frau mit schneidender Stimme: "Langsamer vielleicht!" wobei ich mich noch wunderte, wie sie mit den Lüttschen umging, und dann: "Ignorant!" als ich vorüber war. Da dämmerte mir überhaupt erst, daß ich gemeint sein mußte. "Krawallziege!" hätte ich rufen sollen, aber ich war nicht nur schon eine ganze Ecke weg von ihr, sondern mir fehlten einfach auch die Worte.

Zwei Minuten später fuhr ein Mann in der Mitte des Radwegs, links von ihm war eben genug Platz zum Überholen. Eine Reifenbreite vom Kantstein entfernt sauste ich an ihm vorüber, und anstatt zu merken, daß er mit dieser Fahrweise eine Gefährdung darstellte, maulte er "Ey!" hinter mir her. Der hätte sich auch noch über ein warnendes Klingeln beschwert. Das habe ich tatsächlich schon erlebt, fällt mir dabei ein; da meckerte doch wirklich jemand: "Geht das vielleicht auch leiser!" - Erlebnisse dieser Art haben mich längst zu einer Weltsicht gebracht, die fälschlich als Pessimismus bezeichnet wird, ist es doch nichts anderes als Realismus.

Dieser Realismus sagt mir beispielsweise bei der Demonstration staatlicher Macht in Stuttgart, daß eine Interessengemeinschaft das Fell des Bären bereits verteilt hat, bevor er erlegt ist, und nun alle Mittel, seien sie noch so dumm, verzweifelt und brutal, einsetzt, um des schönen Felles auch ja habhaft zu werden. Bleibt zu hoffen, daß Optimismus a.k.a. Schönfärberei auf eine Minderheit beschränkt bleibt und die Mehrheit Geschäftemacherei nicht mit demokratischer Legitimation verwechselt, oder ein einträgliches Prestigeprojekt mit einer Notwendigkeit, oder Beschwichtigung, Drohung und Beschwatzen mit einem Gesprächsangebot.

Der Kapitalismus ist am Ende, von innen heraus verfault, es braucht nur noch die Entschlossenheit einer Mehrheit, ihn in vernünftige Schranken zu weisen. Leider ist es jedoch so, daß der verfaulende Kapitalismus eine ganze Masse Bürger infiziert hat, die nun mit ihm gemeinsam dahinsiechen, froh darüber, daß es keine Alternative zu Egoismus, Niedertracht und Verbrechen gibt und nur darauf aus, anderen ihren Willen (oder ihre Ideologie, gell) aufzuzwingen. Und damit kommen wir zu der - ganz realistischen - Frage, die sich jeder selbst stellen sollte: inwieweit bin auch ich schon von dem Dreck beeinflußt?

Während in der Nachbarschaft bumm-bumm unterschiedlicher Tempi in den Abend wummert und jeder Song von juchzenden Frauen und brüllenden Männern in zur Schau getragenem Enthusiasmus begrüßt wird, denke ich mir mein Teil: die Kunst befasst sich nicht mit Allerweltstypen (das wäre Privatfernsehen), oder wenn sie es tut, dann sind es keine Dutzendtypen mehr, denn das wäre uninteressant (außer für Privatfernsehenkonsumenten). Wer könnte die Menschen nicht lieben, wie sie in Komödien erscheinen; den Mann, der die Frauen liebte (und nichts dazulernt), oder die Frauen, die er liebte (und die alle eine Entwicklung durchmachen), Katherine Hepburn, wie sie Cary Grant von einer Katastrophe in die nächste treibt, bis er seine Liebe zu ihr entdeckt, oder - in einer (weniger zeitlosen) Variation desselben Themas - wie Barbra Streisand das Leben von Ryan O'Neill in ein Chaos verwandelt, bis er siehe oben.

Komödie ist die Kunst, uns einen Spiegel vorzuhalten, in dem wir uns lachen sehen: trotzdem, trotz allem. Stellvertretemd für alle, die uns aus ihrem Pessimismus ein Lachen geschenkt haben, ziehe ich den Hut vor Francois Truffaut und Loriot; und ich zitiere letzteren in freier Assoziation allen Männern ins Stammbuch geschrieben: zuviele Eier sind gar nicht gesund. Den Frauen habe ich nichts zu sagen, denn ich verstehe sie nicht, und das widerum ist genau der Stoff, aus dem die genannten Komödien entstanden sind; eine Menschheitstragödie, aber komisch, immer wieder komisch, solange es Menschen des alten Schlags gibt. Der neue Mensch inszeniert seine Beziehungen, und daran ist nichts Tragisches und auch nichts Komisches - es fehlt das Mißverständnis, alles ist programmiert, alle sind austauschbar. - Menschen sind sich ähnlich, aber bestimmt nicht austauschbar. Sind wir auch bescheuert, so sind wir doch kein Ersatzteillager.

Wie schön wäre es, mal so richtig frei zu sein: Müll und Abfall hinzuschmeißen, wo es einem gerade einfällt, mit seinem Gefährt, motorosiert oder nicht, zu fahren, wo es einem beliebt, sich zu nehmen, was einem gefällt, ohne sich um Besitz und Moral zu kümmern, Leute zu beschimpfen, die hierarchisch tiefer stehen und es deshalb hinzunehmen haben, ja, die es verdienen beschimpft zu werden, weil sie es nicht weiter gebracht haben als man selbst, Militär einsetzen zu können, wenn einem verweigert wird, worauf man einen Anspruch hat, weil man es haben will, lästige Gesetze und Vorschriften mißachten, oder besser noch, außer Kraft setzen zu können, die nur Hemmnisse auf dem Weg zu größerem Reichtum sind, Menschen als Humankapital beliebig benutzen zu können und dieses wegzuwerfen, wenn es nicht mehr einträglich genug ist, ein Weltgetriebe zu installieren, dem sich alles und jeder unterzuordnen hat. Ja, das müßte das Paradies auf Erden sein.

Und dementsprechend sieht die Erde allmählich aus. Vermüllung, Kriegstreiberei, Ausbeutung, Unterdrückung, Kollateralschäden (die letzten Endes selbst schuld sind), lecke Atommüllager, vor sich hinsprudelnde Ölbohrlöcher, Landwirte, die verklagt werden, weil genverändertes Pflanzgut sich widerrechtlich auf ihren Feldern angesiedelt hat, Massentierhaltung und industrieller Anbau, die geschmacklose Kost hervorbringen, Versklavung der Armen, die dieses Los verdient haben, weil sie arm sind, statt reich zu werden, Lug, Trug, Manipulation, Bandenbildung und Menschenverachtung. Zuallererst aber geistige Verarmung und Verdummung, ohne die eine Gesellschaft, gleich welcher Kultur, nicht in eine antisoziale Masse verwandelt werden kann.

Das ist die Freiheit, um die uns die Welt beneidet und deretwegen sie uns terroristisch bekämpft. Deshalb hatte Herr Köhler vollkommen recht zu sagen, daß die Bundeswehr - bei unserer großen Außenhandelsabhängigkeit - auch eingesetzt werden muß, um unsere Interessen zu wahren, und es ist bedauerlich, daß er zurücktreten mußte, weil es der Öffentlichkeit am Respekt vor seinem Amt gemangelt hat. - Für manche Leute ist Freiheit die Abwesenheit von Beschränkungen ihrer freien Entfaltung. Anders als Utopisten, Träumer, Spinner, Weltverbesserer und Gutmenschen meinen herumdoktrinieren zu müssen, endet die eigene Freiheit nicht dort, wo die Freiheit des anderen beschnitten wird, sondern dort, wo die Grenze der eigenen Gier ist, nämlich nirgends. Die dazugehörige Religion ist der Nihilismus, ist die Vergötterung der leeren Hülle eines nichtswürdigen Ego.

Wer sich nun am Schädel kratzt, die Stirn runzelt und sagt, das klinge aber verdammt nach den esotrischen Lehren diverser Gurus, zu denen die Selbstsucher seit langem, seit den späten 60ern aber in Scharen pilgerten, könnte auch zu dem Schluß kommen, daß Marketing die wirtschaftsgerechte Esoterik unseres industriellen Zeitalters ist, die Glücksbotschaft, die uns zum Heil im Konsum führt, zu unserem eigenen Besten, auch wenn andere daran verdienen. Aber: what's wrong about profit? - Die richtige Antwort bitte auf einer ausreichend frankierten Postkarte an den Weihnachtsmann adressieren und ab geht die Post. "Wir feiern eine Party, die letzte die es gibt, bevor unsre Welt zugrundegeht" (Die kosmischen Bademeister, live in der technocoop, 25.12.1981).

In der vergangenen Saison lachten uns aus Supermarktregalen Fleischwaren mit dem Aufdruck nur 2% Fett und fettreduziert entgegen, der neue Trend aber heißt Feinschmecker-, Delikatess- und Spitzen-was-auch-immer; wer sich die Produkte näher ansieht, bemerkt beispielsweise Wassereinschlüsse und Knorpelmasse wie zuvor - aber in Spitzenqualität (aufgemerkt: Premium ist out). Wenn die Produkte aus Kostengründen schon nicht besser werden können, mögen sich die Hersteller sagen, dann soll wenigstens die Verpackung Besseres verheißen. Irgendwann landet die Lebensmittelindustrie dort, wo sie der fürchterliche Louis de Funes schon vor fünfunddreißig Jahren hinkarikierte (in dem Film "Brust oder Keule"): bei einer aus verschiedenerlei (und nicht bloß Lebensmittel-)Abfällen zusammengekochten Einheitspampe, der die gewünschte Form und Verpackung gegeben wird, um sie den Kunden als schmackhafte Nahrung anzudrehen; als Brathähnchen vielleicht, oder Eintopf oder oder oder, der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt, das gilt auch für Hersteller, Verpacker und Werber. Wer sich ekelt, greift dann eben zum Brottrunk und kauft Produkte, deren Markennamen mindestens einmal die Silbe Bio enthalten oder sonstwie auf Gesundheit anspielen, sofern das knapper werdende Geld es zuläßt.

Der Skeptiker mag darauf hinweisen, daß Massengesellschaft und Massentierhaltung gewissermaßen Zwillinge seien und das eine ohne das andere nicht zu haben. Doch seltsam ist es schon, daß die Bevölkerung in Deutschland seit Jahrzehnten nicht wesentlich zunimmt, es aber zumindest noch in den 60ern durchweg (wenn auch nicht ausschließlich) gute und schmackhafte Ware gab. Zugenommen hat die Zahl der Supermärkte und der landwirtschaftlichen Großbetriebe, abgenommen - wollte ich schreiben, aber falsch - praktisch verschwunden sind die kleinen Ladengeschäfte, die Schlachter, die Krauter und Höker, die schlichten Bauernhöfe. Daß es überhaupt noch welche gibt, mag daran liegen, daß noch nicht alle Menschen eine Einheitspampe im Hirn haben (oder durch materielle Not auf Billigprodukte angewiesen sind) und sich deshalb nicht mit Einheitspampe zufriedengeben. Aber das läßt sich ja ändern. Vor rund hundert Jahren erboste sich Karl Kraus über Österreichs Margarineproduzenten, die die Stirn hatten, Margarine als gesünder denn Butter anzupreisen. Seitdem sprengt das Markting alle Verstandesgrenzen - und jene des guten Geschmacks ohnehin. Brust oder Keule? Ist doch kein Unterschied mehr, alles Delikatessmurks.

Wer Schulden hat, mag sich gewiß wünschen, derselbe Betrag wäre statt mit einem Minus mit einem Plus behaftet: wie unbeschwert ließe sich dieses Geld ausgeben! Doch wie verwandelt man Schulden in Geld? Aus der Gesamtheit aller möglichen Lösungen habe ich zwei herangezogen, die entgegengesetzt extrem sind; die erste besonders einfach und kaum mehr als ein Augenzwinkern erfordernd (Dicki-Ansatz), die zweite ganze Netzwerke von Leuten involvierend, kompliziert, mit vielen Risiken behaftet (Elite-Ansatz).

zu 1) Das Prinzip dieser Lösung entspricht der Antwort auf die Frage: wie kommt das "Kind" in das "Haus". Kinderleicht!
Kind
Wind
Wand
Hand
Hans
Haus
Und genauso geht das mit den
Schulden
Gulden
Golden
Gold
Geld

zu 2) Diese Lösung wurde im vergangenen Jahr durchexerziert, erforderte vollen Einsatz von Agenturen, Medien; Managern, Interessenverbänden, Experten und Anwälten und trug, wie wir uns sicher alle noch erinnern, den Projektnamen "Überwindung der Finanzkrise". Die Einzelheiten sind bekannt bzw. können leicht recherchiert und vielerorts nachgelesen werden.

Dicki-kritische Leser werden einwenden, daß Lösung 1 im Gegensatz zu Lösung 2 das Problem wohl ideell, aber eben nicht materiell löst, und wenn die Verfechter der zweiten Methode stolz auf ihren Erfolg sind, dies auch mit recht sein können. Das ist richtig, soweit es mich betrifft, aber es ist falsch, soweit es die Elite betrifft. Kann man ernsthaft stolz darauf sein, durch Manipulation der öffentlichen Meinung, Lüge, Betrug und Vorteilnahme - die, das ist der Punkt, jederzeit strafrechtliche Folgen zeitigen könn(t)en - Milliardenbeträge aus dem Volksvermögen in die eigenen Taschen gewirtschaftet zu haben?

Dennoch ist die Elite stolz. Dicki hingegen ist sich bewußt, daß er einen Scherz gemacht hat (der hoffentlich Anlaß für das eine oder andere Lächeln ist). Hier komme ich zum Dunning-Kruger-Effekt (der Aufsatz ist im Internet frei zugänglich und umfaßt nur rund 30 Seiten), der besagt, daß besonders inkompetente Leute unfähig sind, ihre Inkompetenz zu erkennen und sich im Gegenteil für überdurchschnittlich kompetent halten.

Als Erklärung führen die beiden Forscher ein Beispiel an: dieselbe Fähigkeit, die erforderlich ist, um einen grammatikalisch korrkten Satz zu formulieren, versetzt in die Lage, die grammatikalische Richtigkeit zu beurteilen und als Konsequenz daraus auch die eigene Fähigkeit zur grammatikalischen Korrektheit richtig einzuschätzen. Stammle ich herum, weil ich es nicht besser weiß, scheint mir das korrekt, eben weil ich es nicht besser weiß. Obendrein verkenne ich die grammatikalischen Fähigkeien anderer Menschen, eben weil ich es nicht besser weiß.

Und eben deshalb hält sich unsere Elite für besonders fähig, obwohl sie eine Spur der geistigen und materiellen Verwüstung durch die Gesellschaft zieht. Ist das Defizit in den Fähigkeiten nur groß genug, so wird in der eigenen Wahrnehmung Grandiosität daraus. Zumal wenn man in den richtigen, sich gegenseitig bestätigenden Kreisen verkehrt. Ein hinreichend dummes Wesen wird alle anderen Menschen für dumm und unfähig halten, voller Überzeugung und mit größter Zuversicht. Deshalb sind immer die anderen Schuld an dem Schaden, den diese Leute selbst anrichten. Ihr Selbstvertrauen gründet auf Abwesenheit von Erkenntnis einerseits und dem Erfolg bei der Durchsetzung ihres Egoismus andererseits. Und wenn dann noch die Bereitschaft fehlt, von den Fähigeren zu lernen (die als unfähig wahrgenommen werden), bleibt nur die Ceaucscu-Lösung.

So oder so, schlußendlich muß jede Schuld bezahlt werden.

Ist das eine Maßnahme zur Umerziehung der Menschheit, diese Agenturmeldung, die ich bei SpOn las? Dabei denkt man zunächst, man läse eine Nachricht: Tausende Reisende saßen am Sonntag stundenlang am US-Flughafen Newark fest, nachdem dort Alarm ausgelöst worden war. Ein Unbekannter war unbefugt in die Sicherheitszone vorgedrungen. In der Überschrift hieß es - ganz richtig - Abschiedskuß, doch was ist daraus geworden: Jetzt wurde sein Motiv bekannt: Der Mann wollte knutschen.

Offenbar ist der Schreiber Sudler Journaillist der Meinung, er müsse die sehr menschliche Regung des Mannes ins Lächerliche ziehen, weil der Abschiedskuß zur stundenlangen Blockierung des Flugverkehrs führte, und kommt überhaupt nicht auf das Natürlichste, daß nämlich Sicherheitsvorkehrungen, in denen kein Raum für menschliche Gefühle und daraus folgendes Verhalten ist, die eigentliche Lächerlichkeit darstellt, um es vorsichtig auszudrücken. Man darf aber auch "Ärgernis", "Automatenhaftigkeit" und "menschenfeindlich" zur Anwendung bringen, und vielleicht fällt dir noch dieses oder jenes Wort ein, um dich zu erleichtern.

Selbstverständlich werden, ja müssen Konsequenzen aus diesem Störfall gezogen werden: in Zukunft muß mit empfindlichen Strafen rechnen, wer sich in aller Öffentlichkeit menschlich aufführt, man hat ja gesehen, welche Folgen solch unverantwortliches Treiben haben kann. Hinzu kommt, daß durch die öffentliche Zurschaustellung von Sympathien die Gefühle anderer Menschen, die nicht in diese sympathetischen Äußerungen einbezogen sind, in hohem Maße verletzt werden. Aus eben diesem Grunde hat auch ein Verhalten zu unterbleiben, das gemeinhin "Solidarität" beziehungsweise "Hilfestellung" genannt und sogenannten Schwachen zuteil wird, weil es den Unmut der Starken zu erregen geeignet ist. Kurz: Menschsein stört den Lauf der Dinge. Es gehört abgeschafft.

 

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